Stuttgart - Hier am Neckar zwischen Freiberg und Pleidelsheim hat alles angefangen: Als 17-jähriger Schüler hat Claus-Peter Hutter eine Bürgerinitiative gegründet und die Bürgermeister der Umgebung bezirzt, damit sie sich mit ihm gegen die geplante Verbreiterung des Neckars für größere Schiffe wehren – ein einzigartiger Altarm des Flusses und ein großer Baggersee waren bedroht. Hutter schaffte es, das Pleidelsheimer Wiesental zu retten, und heute brüten auf einem abgestorbenen Baum im See sogar wieder Störche – gerade kommt ein Altvogel herangerauscht und bringt den drei Jungen Futter.
Aber den Blick durchs Fernglas muss Hutter immer wieder unterbrechen, mehrfach wird er von Spaziergängern angesprochen: Claus-Peter Hutter ist nicht nur hier bekannt wie ein bunter Hund. Er „ka mit da Leit“, wie man im Schwäbischen sagt, weil er bodenständig ist, sein Leben lang schaffig war und vielleicht auch gerade deshalb, weil er niemandem nach dem Mund redet. Seine Standpunkte sind eindeutig, und seine Beharrlichkeit ist bei Behörden berüchtigt.
Vermittlung von Naturwissen in 14 000 Seminaren
Fast 50 Jahre später schließt sich nun ein wenig der Kreis. Der 66-jährige Hutter verabschiedet sich in dieser Woche [22. Juni] mit einem Kolloquium im Stuttgart zumindest aus dem aktiven Berufsleben. Vor 35 Jahren, das war 1986, hatte er im Auftrag des damaligen CDU-Agrarministers Gerhard Weiser (ein Umweltministerium entstand im Südwesten erst ein Jahr später) die Umweltakademie Baden-Württemberg aufgebaut, und bis heute hat er sie geleitet. Damals fing er ohne Telefon und ohne einen Euro als Einzelkämpfer an, heute hat die Akademie mit Sitz in einer Villa im Stuttgarter Westen 20 Beschäftigte.
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Sie dient vor allem dem Zweck, ökologisches Wissen in allen gesellschaftlichen Bereichen zu etablieren: Die Akademie hat seit ihrer Gründung in 14 000 Seminaren Lehrkräften, Bauhofmitarbeitern oder Feuerwehrleuten vermittelt, worauf sie zu achten haben beim Lehren, Mähen und Löschen.
Hutter applaudiert nicht bei jeder neuen Öko-Forderung
Zum Feiern ist Claus-Peter Hutter aber trotz der vielen Erfolge der Akademie nicht zumute. Er spricht vielmehr von einer permanent fortschreitenden, dramatischen Wissenserosion – immer weniger Menschen wissen noch, wie man einen Zwetschgenbaum pflanzt, die meisten können kaum noch eine Amsel von einem Star unterscheiden. „Wir haben höchstens noch zehn bis 15 Jahre, um dieses Wissen über die Natur an die jungen Generationen weiterzugeben. Wir müssen eine massive Aufholjagd starten“, so Hutter, den alle Freunde nur CP nennen. Denn nur was man kenne, könne man schützen.
Die Proteste der jungen Menschen für mehr Klimaschutz begrüßt er; zugleich machen sie ihn nachdenklich. Denn wer rigoros gegen Fleischkonsum sei, der sorge auch dafür, dass die traditionelle Weidelandschaft verschwinde, die unsere Gegend präge und die trotz aller Probleme eine ökologische Vielfalt hervorbringe. Und wer komplett gegen Flugreisen sei, der zerstöre etwa auch den Öko-Tourismus in die Serengeti – doch nur mit diesen Einnahmen könnten dort die letzten Löwenherden geschützt werden. „Natur ist kompliziert“, sagt Hutter, und radikale Lösungen sind ihm deshalb suspekt.
Mehr tun und weniger schwätzen ist Hutters Motto
Im Übrigen würde er sich wünschen, die Menschen, auch die jungen, würden nicht immer nur mehr Natur- und Klimaschutz von der Politik und von anderen einfordern, sondern einfach mal selbst Hand anzulegen: Wer kümmere sich heute schon noch um eine Obstwiese oder helfe, im Frühjahr Kröten über die Straße zu tragen? Den konkreten Umweltschutz überließen zu viele den anderen.
Claus-Peter Hutter dagegen lebt seine Grundsätze. Und sein Ansatz war immer, mit den Menschen zu reden und sie zusammenzubringen. Während andere Naturschützer die Bauern, Angler und Unternehmer noch zu häufig als Gegner sähen, versuche er diese ins Boot zu holen – er hat deshalb nichts gegen die satte Spende eines Großunternehmens und nichts gegen politische Unterstützung von linker oder liberaler Seite: „Dem Feuersalamander ist es egal, woher das Geld kommt“, sagt Hutter.
Neue Aufgaben für den Ruhestand sind schon in Sicht
Die Umweltakademie ist jetzt Geschichte für Claus-Peter Hutter – aber natürlich wird er sein Lebensthema Natur nicht aufgeben. Die Arbeit als Präsident der internationalen Stiftung Nature-Life, die vor allem dem Schutz der Regenwälder dient, wird weitergehen. Und er hat schon einige ganz neue Aufgaben im Sinn, über die er aber noch nicht reden will. Wer also glaubte, aufatmen zu können, weil Claus-Peter Hutter künftig nicht mehr so häufig auf der Matte stehen und nerven könnte, muss enttäuscht werden. Jetzt hat CP noch mehr Zeit für konkrete Umweltprojekte, für die er Geld und Aufmerksamkeit braucht.