Die beiden Teile des Nationalparks im Nordschwarzwald werden vereint. Der Lückenschluss war ein Herzensanliegen der Grünen und auch des Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann persönlich – nun trägt der Koalitionspartner CDU die Fusion auch offiziell mit. Das Landeskabinett hat die Pläne abgesegnet. Und auch die Verhandlungen mit der Murgschifferschaft, der die benötigten Waldflächen gehören, sind in entscheidenden Punkten abgeschlossen. Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie lauten die Eckdaten der Erweiterung?
Der einzige Nationalpark im Südwesten wird nun lediglich um 15 Prozent, von derzeit 10 062 Hektar auf ungefähr 11 500 Hektar, wachsen. Mit der Murgschifferschaft tauscht das Land aber annähernd 3000 Hektar Wald. Das enttäuscht manche Naturschützer. Doch dafür gehören künftig die Pufferzonen, die entlang der Außengrenzen ein Überspringen des Borkenkäfers auf den Privatwald verhindern sollen, auch im „Altpark“ nicht mehr zum Nationalpark. Dessen Fläche verringert sich also, obwohl sich an der Nutzung nichts ändert.
Künftig wird jedoch der Staatsbetrieb Forst-BW die Pufferzonen betreuen und nicht mehr die Verwaltung des Nationalparks selbst. Dadurch soll dem Vorwurf begegnet werden, der Nationalpark nehme die Sorgen der Privatwaldbesitzer nicht ernst genug. Auch bei Forst-BW gibt es viele kritische Stimmen, dass das Borkenkäfermanagement des Nationalparks grundsätzlich nicht funktionieren könne. Nun muss der Betrieb es selbst beweisen, ob es geht.
Eine genaue Karte des neuen Nationalparkfläche will das Umweltministerium übrigens noch nicht herausgeben.
Wie soll die Umsetzung ablaufen?
Jonas Esterl, der Sprecher des Forstministeriums, nennt den 1. Januar 2026 – da soll der Flächentausch vollzogen sein. Auf der politischen Seite muss nun ein Gesetzentwurf erarbeitet werden, dann befasst sich der Landtag damit, der das Projekt am Ende absegnen muss. Auf der vertraglichen Seite steht mittlerweile fest, dass das Land seine Anteile von 54 Prozent an der Murgschifferschaft zurückgibt – das war für die Waldgenossenschaft unverhandelbarer Bestandteil des Deals gewesen.
Beim Flächentausch müsse bis zum Jahresende noch eine finanzielle Bewertung des Waldes vorgenommen werden. Walter Dürr, der Geschäftsführer der Murgschiffer, hatte immer klar gestellt, dass es sich für sie lohnen müsse, sonst würden sie bei einem Tausch nicht mitmachen.
Was kostet der Deal?
Das ist zumindest bisher maximal intransparent. Erst kürzlich wurde bekannt, dass der CDU-Fraktionsvorsitzende Manuel Hagel und Ministerpräsident Winfried Kretschmann sich schon im Sommer über die Modalitäten geeinigt haben, offenbar bei einem Plausch in Kretschmanns Garten. Über den Inhalt herrscht weitgehend Stillschweigen. Zu welchem Preis die Murgschiffer den Landesanteil zurückkaufen, steht zwar fest.
Aber der Preis werde vorerst nicht kommuniziert, da zuerst der Landtag und die gut 100 Anteilseigner der Murgschiffer informiert werden sollen, so Steffen Becker, der Sprecher des Umweltministeriums. Der Buchwert der Anteile liegt bei 31 Millionen Euro, der Marktwert laut einem Gutachten bei bis zu 75 Millionen Euro. Die FDP-Landtagsfraktion spricht schon jetzt von einem finanziellen Fiasko, weil das Land auf eine Rendite von durchschnittlich 700 000 Euro im Jahr verzichte.
Steffen Becker wehrt sich aber gegen den Vorwurf, das Land habe sich über den Tisch ziehen lassen. Denn die Murgschiffer hätten ebenfalls ein großes Interesse an einer Einigung gehabt. Denn sie wollten das Land unbedingt aus der Genossenschaft draußen haben – künftig könnten sie nun beispielsweise staatliche Fördergelder beantragen. Die SPD-Landtagsabgeordnete Gabi Rolland sagt trotzdem: „Es ist wichtig, dass diese Entscheidung jetzt endlich ins Parlament kommt und der Nationalpark nicht weiter nur in Hinterzimmern ausgehandelt wird.“
Wie kommt die Erweiterung vor Ort an?
Dort ist man über das anhaltende Schweigen der Akteure ziemlich verärgert. Die staatlichen Tauschflächen, die die Murgschiffer erhalten sollen, liegen rund um Enzklösterle (Kreis Calw). Deren Bürgermeisterin Sabine Zenker kritisiert, dass die Gemeinde monatelang nicht in die Gespräche eingebunden war, obwohl alle wussten, dass der umliegende Staatswald zur Disposition stand. Auch die Bevölkerung sehe einen Flächentausch sehr kritisch.
Mittlerweile gibt es aber die Zusage, sich alle drei Wochen zu einem Austausch zu treffen. „Wir werden uns für die Interessen der vielschichtigen örtlichen Akteure vor Ort einsetzen“, so Zenker. Es gebe zum Beispiel die Befürchtung, dass der ökologisch wertvolle Bannwald Bärlochkar aufgehoben werden soll, damit genügend Wirtschaftswald zum Tausch zur Verfügung stehe. Es gehe auch um touristische Belange oder um den Schutz des Wassers – das könne in den Hintergrund treten, wenn plötzlich privatwirtschaftliche Interessen überwiegen, so die Befürchtung.
Auch Klaus Mack, der CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Calw und früherer Bürgermeister von Bad Wildbad, war über den intransparenten Prozess verärgert. Aber jetzt sei er guter Hoffnung, dass es besser werde – Manuel Hagel habe ihm persönlich eine Bürgerbeteiligung versprochen. „Die Erweiterung darf nicht auf Kosten der Region gehen“, so Mack.
Auch in Hundsbach ist man alles andere als erfreut. Der kleine Ort liegt als einziger direkt in der Erweiterungsfläche des Nationalparks. Obwohl es die Spatzen von den Dächern pfiffen, dass eine Einigung bevorstehe, sei „bis zum letzten Tag dreist dementiert“ worden, sagt Michael Frank, einer der Sprecher der örtlichen Bürgerinitiative. Ihnen geht es darum, dass die Hundsbacher auch künftig noch im Wald spazieren gehen oder Pilze sammeln können – im „Altpark“ sind sehr viele Wege auch für Anwohner gesperrt worden.
Mittlerweile habe man kleine Erfolge erzielt, betont Frank. Auch das Umweltministerium bestätigt, das Nationalparkranger derzeit im nördlichen Parkteil Wege wieder freigeben, im südlichen Teil soll dies im Frühjahr 2025 erfolgen. Michael Frank betont aber: „Für die Erweiterungsflächen wäre das viel zu wenig.“ Man habe zum Beispiel drei Varianten für eine Spazierrunde vorgeschlagen – nur die kleinste mit zwei Kilometern Länge sei akzeptiert worden.
Warum gibt es Streit in der CDU?
Forstminister Peter Hauk (CDU) macht weiter keinen Hehl daraus, dass er gegen die Erweiterung des Nationalparks ist. Er werde um jeden Hektar kämpfen, um den der Park kleiner ausfalle, sagte er noch dieser Tage. Sein Hauptargument: In einem Nationalpark gingen viele Bäume durch den Borkenkäfer kaputt, Kohlendioxid werde frei. Nur ein bewirtschafteter Wald sei deshalb gut für den Klimaschutz. Allerdings gibt es ja die schriftliche Vereinbarung zwischen Hagel und Kretschmann, weshalb manche Hauk schon als den „Poltergeist der CDU“ bezeichnen. Aus der CDU-Fraktion hört man eine klare Botschaft: Peter Hauk könne natürlich seine Meinung äußern, aber am Ende gelte, was Manuel Hagel entschieden habe.
Auf direkte Nachfrage gibt sich die Pressestelle des Forstministeriums ganz zahm. Hauks Ausführungen zum Klimawandel hätten sich nicht auf den Nationalpark bezogen, mit Manuel Hagel gebe es keinerlei Dissens, und es sei ja bereits ein Kompromiss gefunden, indem nur 1500 Hektar dem Nationalpark zugeschlagen würden.
Warum ist der Nationalpark für die Grünen so wichtig?
Winfried Kretschmann betonte dieser Tage, dass es neben dem Klimawandel eine zweite große Bedrohung der Menschheit gebe: das Artensterben. Der Nationalpark diene deshalb dazu, die Biodiversität im Südwesten zu stärken, indem dort Forschung betrieben werde und indem „ein Urwald für unsere Enkel und Urenkel heranwächst“. Auch für den Tourismus sei der Park von Bedeutung. Grundsätzlich gab der Ministerpräsident aber Peter Hauk Recht, dem Klimaschutz diene ein Nationalpark nicht. Aber die Erweiterung sei so klein, dass sie keinen messbaren Einfluss für oder gegen den Klimawandel habe.
Die vergrößerte Fläche des Nationalparks macht rund 3,5 Prozent des Staatswaldes und rund 0,8 Prozent des gesamten Waldes in Baden-Württemberg aus.
Nationalparks in Deutschland
Geschichte
Der erste Nationalpark in Deutschland ist 1970 im Bayerischen Wald gegründet worden. Seither sind 15 weitere dazu gekommen, darunter die Schutzflächen Sächsische Schweiz, Eifel, Harz oder Wattenmeer.
Fläche
Die Nationalparks mit Meeresanteilen sind teils riesengroß. Betrachtet man lediglich die terrestrische Fläche, so umfassen alle Parks zusammen knapp 210 000 Hektar. Deutlich größer als das Schutzgebiet im Schwarzwald sind lediglich die Nationalparks Bayerischer Wald, Berchtesgaden, Harz, Müritz sowie die Landanteile des Nationalparks Niedersächsisches Wattenmeer. fal