Zum Schutz von Insekten und anderer Lebewesen könnten sich Anwohner des Musberger Örlesweg vor ihrer Haustüre sehr gut eine Wildblumenwiese vorstellen. Die Stadt hat für diesen Flecken Erde jedoch seit Jahren andere Pläne. Warum eigentlich?

Leinfelden-Echterdingen - Bereits jetzt bietet sie Bienen, Schmetterlingen und anderen Insekten jede Menge Nahrung und wird von der Kommune entsprechend gepflegt. Die Rede ist von einer Wiese am Musberger Örlesweg. Sie gehört der Stadt und liegt direkt neben einem geschützten Biotop und dem Landschaftsschutzgebiet Glemswald. Auch anderen Tieren gefällt es auf diesem Fleckchen Erde. Anwohner wie Architekt Roland Gerlach können dort regelmäßig Reiher, Füchse, Schlangen und Kröten beobachten. Erst im März haben sie dort abends Rehe durch das Gras tollen sehen.

 

Roland Gerlach sagt: „Die Wiese muss grün bleiben, das ist unser Ziel.“ Die Kommune könnte diese gut in eine Wildblumenwiese umwandeln, dafür wäre das Grundstück prädestiniert. Sie könnte Insektenhotels aufstellen, Vogelbrutkästen einrichten, Bäume pflanzen – und dem zunehmenden Rückgang der Artenvielfalt in Flora und Fauna zumindest ein Stück weit entgegenwirken.

Flüchtlingsunterkunft war geplant

Allerdings gibt es just für diese Wiese seit 2015 andere Pläne. Aber genau damit wollen sich weder Gerlach noch Architektenkollege Wiegand Eberhardt abfinden. Die beiden Männer haben sich deshalb mit einem zehnseitigen Schreiben an die Presse gewandt, in dem sie ihre Sicht der Dinge in vielen Details schildern. Auch an Naturschutzverbände und das Staatsministerium haben sie den Brief geschickt. „Alle reden von Klimaschutz, Schutz der Natur und Umwelt. Wie es im Kleinen negativ aussehen kann, soll hier aufgezeigt werden“, heißt es im Anschreiben.

Aber der Reihe nach: 2015, und damit in der Hochphase der Flüchtlingsbewegung, kam die Stadt Leinfelden-Echterdingen auf die Idee, eine Unterkunft für Menschen mit Bleiberecht auf diese Wiese am Musberger Örlesweg zu stellen. Zuvor hatte sie sämtliche städtische Grundstücke in den Blick genommen und schlussendlich auch dieses Areal in die engere Wahl genommen. 63 Menschen sollten dort einmal einziehen. Das Haus wurde bisher nicht gebaut – was auch am Gegenwind aus der Bevölkerung lag.

Zwei Petitionen gegen das Vorhaben

Eine Gruppe von 20 Anwohnern hatte im Herbst 2016 zwei Petitionen gegen das Vorhaben beim Landtag eingereicht. Die einen argumentierten mit einer ihrer Meinung nach ungleichen Verteilung der Flüchtlinge im Stadtgebiet. Sie kritisierten eine zu starke Belastung von Musberg. Die anderen legten den Schwerpunkt auf die bauliche Situation und den Umweltschutz. Dazu muss man wissen: Auch der Landkreis als Untere Naturschutzbehörde hatte zunächst Bedenken angemeldet, daraufhin hatte die Stadt ihre Pläne für die Unterkunft etwas abgespeckt.

In dem aktuellen Brief greifen Gerlach und Eberhardt die zweite Argumentationslinie erneut auf und erinnern an eine weitere Besonderheit der Wiese: Der potenzielle Baugrund liege auf einer „zwölf Meter tiefen Müllhalde“, auf der noch in den 1970er Jahren Lastwagen für Lastwagen Hausmüll abgeladen wurde. Wenn am Rande des Landschaftsschutzgebiet tatsächlich eine „Gebäudekiste“ für Menschen mit Migrationshintergrund gebaut werde, müsste diese Halde komplett aufgegraben werden, giftige Gase könnten austreten. Dort Wohnraum zu schaffen, sei allein deshalb schon „ein völliges Unding“, sagt Gerlach.

RP hat den Bau genehmigt

Durch die beiden Petitionen wurden die Pläne der Stadt zunächst auf Eis gelegt. Doch schlussendlich hat der Petitionsausschuss des Landtages den Petenten nicht recht gegeben. Das Regierungspräsidium hat den Bau genehmigt. Daran hat auch die Klage eines Stuttgarter Anwaltes nichts geändert, der laut Gerlach von der ganzen Gruppe der Anrainern beauftragt und bezahlt wurde, sich dann aber auf eine Person konzentrierte habe, die nicht direkt an der Wiese wohne. Das zuständige Gericht habe dann Ende vergangenen Jahres zugunsten der Stadt entschieden.

Die Kommune darf ihr Stückchen grünes Land am Musberger Örlesweg also bebauen, wenn sie dies für nötig hält. „Der Natur- und Artenschutz ist uns sehr wichtig, mein Herz schlägt dafür“, sagt Bürgermeisterin Eva Noller unserer Zeitung. Sie sagt auch: „Niemand ist scharf darauf, dort zu bauen.“ Dennoch will die Stadt an ihrem Recht dazu festhalten. „Wir brauchen diese Möglichkeit, um handlungsfähig zu sein, wenn es erneut zu einer Situation wie 2015 kommen sollte.“ Die Baugenehmigung der Stadt ist laut Noller allerdings endlich. Sie läuft im Herbst 2022 aus. Was dann folgt, ist offen.