Die Alpenvereine Deutschlands, Österreichs und Südtirols starten eine Kampagne zum Lob und zum Schutz der Berge. Sie sehen aber auch, wie zweischneidig ihr Unternehmen ist.

München - Wie lange kann man in den Alpen noch skifahren? In einem Gebiet, in dem sich die Temperatur doppelt so schnell erhöht wie im Durchschnitt des globalen Klimawandels? Zwanzig, dreißig Jahre, meinen sie jetzt in der Schweiz, könnte der Schnee noch reichen. Das gilt aber auch nur für die höchsten erschließbaren Hänge. Was unter 2600 Metern liegt, hat nach mittlerweile allgemeiner Expertenansicht viel kürzere Überlebensfristen.

 

Man fährt gewissermaßen auf Sicht. Oder, wie es der Deutsche Alpenverein (DAV) formuliert: In der härter werdenden Konkurrenz der Skigebiete sei ein „Rennen um die Poleposition“ im Gang. Die Tourismuswirtschaft, die Seilbahnbetreiber und die Bauindustrie wollten „so schnell wie möglich noch Erschließungsgenehmigungen kriegen, je größer, umso besser“, so lange es noch gehe und mit gravierenden Folgen für eine ohnehin gefährdete Landschaft.

So sagte es DAV-Vizepräsident Rudi Erlacher am Dienstag bei der Vorstellung einer Kampagne, mit der die Alpenvereine Deutschlands, Österreichs und Südtirols sowohl auf die Schönheit der Berge als auch auf deren Bedrohung hinweisen wollen.

Touristen legten heute größeren Wert auf Nachhaltigkeit

Immerhin: Erlacher und seine Kollegen sehen auch positive Zeichen. Touristen legten heute laut Umfragen größeren Wert auf Nachhaltigkeit; sie wollten „ohne schlechtes Gewissen“ in den Bergen unterwegs sein. Dadurch seien größere Erschließungsmaßnahmen stärker unter Legitimationsdruck geraten als bisher, meint der DAV: „Die gesellschaftliche Akzeptanz naturgefährdender Eingriffe schrumpft.“

Bei einer Umfrage im Kampf ums Riedberger Horn in Allgäu hätten sich 91 Prozent gegen die Aufweichung des bayerischen Alpenschutz-Planes ausgesprochen – und Markus Söder als neuer Ministerpräsident hat das Projekt im Sommer begraben.

Ähnlich scheint die Diskussion in Österreich zu laufen, das bisher (nach Frankreich) als das Zentrum des großindustriellen Skifahrens überhaupt gilt. Bei einer Umfrage der „Tiroler Tageszeitung“ haben sich im November 89 Prozent gegen den geplanten Ausbau der heimischen Skigebiete ausgesprochen – und nach langjährigen Diskussionen hat die von Protesten aus der Bevölkerung eingedeckte schwarz-grüne Landesregierung in Innsbruck am Montag Abend die hochfliegenden Pläne der Seilbahn-Betreiber etwas gebremst.

Grenzen für den Seilbahn-Aussbau

Hatten diese trickreich versucht, das bereits existierende Verbot von Neuerschließungen durch „Erweiterungen“ und „Zusammenschlüsse“ von Pistenarealen zu umgehen, so dürfen sie vorerst nur noch Zubringerlifte bauen, wo das der Verkehrsentlastung im Tal dient. Die Höhen wären demnach tabu; allerdings lässt der Innsbrucker Kompromiss auch Ausnahmen zu, wenn es um die „Wertschöpfung“ für die Gemeinden oder um „qualitativ hochwertige Arbeitsplätze“ geht.

Andere sehen das strenger. Das österreichische Bundesverwaltungsgericht hat dieser Tage in letzter Instanz eine lang geplante Skischaukel zwischen der Tiroler Pistenmetropole St. Anton und Kappl verboten. Die Anlage hätte laut Seilbahnwirtschaft einen zusammenhängenden Abfahrtsraum von einer Größe geschaffen, wie es sie bisher nur in Frankreich gibt – allerdings hätte sie auch durch durch das bisher unberührte Malfon-Tal geführt. Dieses bleibt nun geschützt.

Der oberste Seilbahner-Vertreter in der Österreichischen Wirtschaftskammer, Franz Hörl, nennt die Gerichtsentscheidung einen „Schwarzen Freitag“ für die Branche und rät Umwelt- und Alpenverbänden, sie sollten sich „warm anziehen.“ Ab sofort werde man „zurückschlagen, wenn andere sich auf unserem Rücken profilieren wollen.“

Over-Tourism – zu viel ist auch nicht gut

Die Kampagne der drei Alpenvereine soll auch die touristische Überlastung (modisch: „over-tourism“) thematisieren, die derzeit vor allem in Südtirol heftig diskutiert wird. Dort seien nicht nur große Ski-Erschließungen geplant, sondern – im Sommer – malerische Orte wie der Pragser Wildsee oder das hintere Villnöss-Tal „geradezu überrannt“ worden, heißt es.

DAV-Vizepräsident Rudi Erlacher gibt aber auch zu, dass die neue Kampagne unter dem Titel „Unsere Alpen – einfach schön“ als Nebeneffekt einen noch größeren Zustrom von Bergbegeisterten auslösen könnte. „Aus diesem Dilemma kommen wir schwer raus.“ Man wolle aber die „Sensibilität“ der Besucher steigern. Angesichts der Tatsache, dass mehr als drei Viertel des CO2-Ausstoßes im Alpentourismus bei der Anfahrt und der Abreise der Touristen entstünden, sollten diese „nicht leichtfertig“ auf die Reise gehen.