Das Projekt Naturstromspeicher ist ein Musterbeispiel für den Widerstand gegen Windkraft. Rund 1200 Gegner wollen das Vorhaben noch in letzter Minute kippen.

Gaildorf - Was sich derzeit in Gaildorf auf dem Energiesektor entwickelt, wird die Welt aufhorchen lassen“, war am 14. September 2011 in der örtlichen Presse zu lesen. Vor mehr als drei Jahren ist der Startschuss für das Pilotprojekt Naturstromspeicher Gaildorf (Kreis Schwäbisch Hall) gefallen. Innovativ ist die Kombination von Wind- und Wasserkraft nach wie vor. Strom wird freilich bis heute nicht erzeugt. Zwar hat Mitte Oktober der Petitionsausschuss im baden-württembergischen Landtag seine Zustimmung gegeben, zwar hat das Landratsamt die Anlage genehmigt und die „sofortige Vollziehung der Entscheidung“ angeordnet.

 

Am 1. Dezember aber wird eben dieser Petitionsausschuss in der kleinen Stadt öffentlich tagen, die Beteiligten der Bürgerinitiative „Für Gaildorf“ anhören und eine Ortsbesichtigung durchführen. Mit 1200 Unterschriften versuchen die Gegner das Projekt in letzter Sekunde zu verhindern. Hinter den Kulissen rechnet freilich niemand damit, dass der Ausschuss den Bau des Naturstromspeichers noch stoppt. Es gelte, den entstehenden Schaden abzuwägen, erklärt ein Kenner. Würde der Antragsteller jetzt abgebremst, wäre der entstehende finanzielle Schaden durch die Verzögerung größer.

Wind- und Wasserkraft sollen intelligent kombiniert werden

Das Gaildorfer Projekt ist ein Musterbeispiel dafür, wie anhaltend der Widerstand gegen Windkraft im Südwesten sein kann. Die Idee ist, Wind- und Wasserkraft so zu kombinieren, dass auf die Anforderungen des Markts rasch und flexibel reagiert werden kann – und der alte Vorwurf widerlegt wird, Grüner Strom falle immer dann an, wenn man ihn nicht benötige.

Erneuerbare Energie erzeugen zunächst die vier Windkraftanlagen mit Nabenhöhen zwischen 152 und 172 Metern in den Limpurger Bergen. Sie sollen eine Leistung von 22 Megawatt erbringen. Wird dieser Strom nicht benötigt, dient er dazu, das im Unterbecken im Tal gespeicherte Wasser in die Türme der Windkraftanlagen und die sie umgebenden Passivbecken zu pumpen. Bei hohem Strombedarf wird das dort gespeicherte Wasser zum Kraftwerk im Tal geleitet und treibt drei Turbinen mit einer Gesamtleistung von 16 Megawatt an. Das Unterbecken wird als Naturbecken gebaut, die Druckrohrleitung zum Pumpspeicher-Kraftwerk im Tal unterirdisch und überwiegend entlang vorhandener Wege verlegt. „Soll die Stadt dem Projekt Grundstücke bereitstellen?“, lautete die Frage eines Bürgerentscheids im Dezember 2011. Die Mehrheit der Gaildorfer stimmte dafür.

Die Gegner des Projekts fürchten um den Wert ihrer Immobilien

Inzwischen ist der langwierige Planungsprozess, sind alle Fragen und Einwendungen bezüglich Lärm, Schattenwurf, Infraschall und Gesundheit, Brandschutz, Windhöffigkeit und Wirtschaftlichkeit formgerecht abgearbeitet. Der Artenschutz ist geprüft, der windhöffigste Standort musste zu Gunsten des Rotmilans aufgegeben werden. Doch die Gegner lassen nicht locker, sehen Leib wie Leben gefährdet, fürchten um den Wert ihrer Immobilien und erheben den Vorwurf der Korruption. Der geht an die Adresse der Graf von Pückler und Limpurgschen Wohltätigkeitsstiftung. Sie ist als Eigentümerin der Flächen für die Windenergieanlagen Vertragspartnerin des Naturstromspeicherprojets. Überdies führt der größte Teil des Leitungssystems über die Grundstücke der Stiftung. Der Geschäftsführer der Stiftung sitzt im Gemeinderat der Stadt, hat sich aber bei Abstimmungen jeweils für befangen erklärt.

Den Betreibern läuft die Zeit davon. Die MBS Naturstromspeicher GmbH ist ein Gemeinschaftsunternehmen der Firmengruppe Max Bögl und des Projektinitiators Alexander Schechner. Für den Geschäftsführer Schechner ist die Genehmigung durch das Landratsamt „ein Meilenstein“. Nun habe man reelle Chancen auf eine feste Einspeisevergütung nach dem derzeit geltenden Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Das reformierte EEG regelt von 2016 an die Vergütung über die Zahl der Bauanträge. Jetzt also haben die Macher den Terminplan vorgelegt: Im März kommenden Jahres soll mit den Bauarbeiten für die Windkraftanlagen begonnen werden. Die erste Fläche für eine der Windkraftanlagen ist gerodet, der Transportweg für die Tieflader ist ertüchtigt, sprich befestigt und verbreitert worden. Von Ende 2016 an sollen sich die Räder drehen und ein Jahr später soll das Pumpspeicherwerk in Betrieb gehen. Fünf Jahre nach dem Startschuss für den Naturstromspeicher könnte dieser in Gaildorf dann auch wirklich Strom produzieren.