Die Abgeordneten des Bundestags sollen künftig Nebeneinkünfte genauer publik machen. Eine Offenlegung auf Euro und Cent wird es aber aller Voraussicht nach nicht geben.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Es ist gerade mal vier Wochen her, dass die SPD Peer Steinbrück zum Kanzlerkandidaten gekürt hat. Postwendend kam ans Licht, dass der frühere Finanzminister mit Vorträgen in der Geldbranche viel mehr verdient als mit seinen Abgeordnetendiäten. Die Kritik an Steinbrücks üppigen Nebeneinkünften befeuerte eine Debatte über die Frage, was Wähler von ihren Volksvertretern wissen sollten. Dabei verwahrten sich jene besonders vehement gegen übertriebene öffentliche Neugier, die den opulent besoldeten Vortragsredner Steinbrück zuvor am heftigsten kritisiert hatten: Union und FDP.

 

Unter dem Druck weit reichender Forderungen aus der Opposition haben sie nun verschärfte Regeln für die Veröffentlichung von Nebeneinkünften beschlossen.

Um was geht es?

Die vom Parlament erlassenen Verhaltensregeln für Abgeordnete schreiben vor, dass „entgeltliche Tätigkeiten neben dem Mandat“ neben weiteren Informationen dem Bundestagspräsidenten angezeigt und zudem auf der Homepage sowie im Handbuch des Bundestags veröffentlicht werden müssen. Das gilt auch für Einkünfte, die nebenher erzielt werden. 2006 wurde festgelegt, dass diese Nebeneinkünfte in drei Stufen zu deklarieren sind: von 1000 bis 3500 Euro, 3501 bis 7000 und mehr als 7000 Euro.

Was ändert sich?

Union und FDP haben jetzt beschlossen, dieses Stufenmodell zu erweitern. Künftig sollen die Nebeneinkünfte in zehn Kategorien einsortiert werden (siehe unten). Höhere Einkünfte werden detaillierter aufgeschlüsselt. Alle weitergehenden Offenbarungen sollen freiwillig bleiben. „Den Abgeordneten bleibt es unbenommen, in eigener Verantwortung weitere Angaben und Erläuterungen zu ihren Nebentätigkeiten und Nebeneinkünften auf ihrer persönlichen Homepage zu machen“, sagte dazu der FDP-Politiker Hermann Otto Solms, Vorsitzender der für diese Fragen zuständigen Kommission im Ältestenrat des Bundestags. Michael Grosse-Brömer, Fraktionsgeschäftsführer der Union, wirbt für die neuen Regeln: „Wir legen damit die Grundlage für Transparenz, ohne das freie Mandat in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise einzuschränken.“

Wie sehen die Alternativen aus?

Die Bundestagsverwaltung hatte dem Ältestenrat auch ein Modell mit 53 Stufen vorgelegt, das in der obersten Kategorie Nebeneinkünfte über 500 000 Euro ausweist. In dieser Einkommensklasse wären nur wenige Abgeordnete aufgetaucht: neben dem SPD-Kanzlerkandidaten Steinbrück etwa der CSU-Großverdiener Michael Glos, ehedem Wirtschaftsminister. Die Grünen hatten sich zuletzt für ein Modell mit 13 Stufen starkgemacht. „Es bleibt Heuchelei“, so ihr Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck, „dass die Koalition von Steinbrück eine Transparenz verlangt, die sie nicht für alle gelten lassen will.“ Die SPD propagierte unter dem Eindruck der Debatte über Steinbrücks Einkünfte eine Veröffentlichung „auf Heller und Pfennig“. Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte: „Die Koalition hat sich bewegt, ist aber immer noch nicht bereit, echte Transparenz herzustellen.“ Das letzte Wort sei noch nicht gesprochen, glaubt er.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich den Kampf gegen Korruption auf die Fahnen geschrieben haben, begrüßen die verschärften Regeln zu den Nebeneinkünften. Sie bedeuteten einen „großen Fortschritt“ und schafften „mehr Transparenz“, sagte etwa Christoph Bautz von Campact. Und Edda Müller, Vorsitzende von Transparency Deutschland, erklärte: „Die Neuregelung ist ein Schritt in die richtige Richtung.“ Beide Verbände fordern allerdings eine vollständige Offenlegung aller Nebeneinkünfte in Euro und Cent. Ulrich Müller von Lobby-Control bemängelt zudem, dass Bundestagsabgeordnete, die nebenher als Anwälte oder Unternehmensberater arbeiten, nicht wenigstens die Branche offenbaren müssen, aus denen ihre Mandanten kommen.

Wie geht es weiter?

Die Koalitionsfraktionen sind daran interessiert, die Transparenzregeln mit möglichst breiter Mehrheit zu beschließen. Deshalb wären sie zu weiteren Zugeständnissen bereit, etwa bei der Höhe der obersten Einkommenstufe. Einige Details sind noch unklar, etwa ob die Einkünfte monatlich oder nur einmal im Jahr erklärt werden müssen. Offen ist, ob auch unentgeltliche Nebentätigkeiten angezeigt werden müssen, sowie die Frage, wann die Einkünfte offenbart werden müssen: unmittelbar, nachdem sie auf dem Konto eingehen oder erst im Folgejahr.