Seit etwa 20 Jahren bemühen sich Bürger, Behörden und Politiker darum, den Neckar für die Menschen wieder erlebbar zu machen und für die Tiere Lebensräume zu schaffen. Auch in der Region Stuttgart ist seither viel passiert – eine Zwischenbilanz.

Klima/Nachhaltigkeit : Thomas Faltin (fal)

Stuttgart - Vor 200 Jahren konnte der Neckar, wie er sich zwischen Hügeln und Auen dahinschlängelte, den Menschen tatsächlich noch das Herz auftun – kein Wunder, dass im Gedicht Friedrich Hölderlins das paradiesische Arkadien und die schwäbische Neckarlandschaft ineinanderfließen: Seit mehr als 100 Jahren aber ist der Fluss begradigt, sind die Ufer in Beton gezwängt, wurden die Hügel und Auen asphaltiert und bebaut.

 

Doch wie sagte ebenfalls Hölderlin: „Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.“ Seit rund 20 Jahren kämpfen viele Bürger, Naturschutzbünde, Kommunen und Einrichtungen darum, die Fauna in und am Neckar wieder zu ihrem Recht kommen zu lassen und den Fluss den Menschen zu öffnen. Wer eine Zwischenbilanz zieht (siehe PDF-Datei), erkennt, dass die Bemühungen trotz vieler Probleme große Erfolge gezeitigt haben, auch wenn weiter der Beton überwiegt.

In unserer interaktiven Karte zeigen wir Neckar-Projekte, die in den vergangenen Jahren angestoßen oder bereits beendet wurden. Mit einem Klick auf die Grafik öffnet sich ein neues Fenster mit einer großen Karte:

Neckar-Projekte in der Region Stuttgart. Klicken Sie auf die Grafik für eine größere, interaktive Ansicht!

(StZ-Grafik: zap)

So wird in Remseck bis zum Sommer 2014 die Mündung der Rems in den Neckar so umgebaut, dass Menschen und die Tiere ihre Freude daran haben. Die Zugwiesen in Ludwigsburg sind seit einem Jahr eine große Auenlandschaft; längst handelt es sich bundesweit um ein Renommierprojekt. Und auch der Fluss und das Gelände der Landesgartenschau in Plochingen sind seit 1998 ein wichtiges Rückzugsgebiet für Homo sapiens, Zander und Köcherfliegenlarve geworden. Einen Überblick über alle Projekte hat niemand – einige wichtige haben wir aber auf dieser Seite versammelt.

Viele staatliche Stellen haben Förderprogramme aufgelegt

Einer der ersten, die das Motto „Zurück an den Fluss“ ausgegeben haben, war der Architekt Hermann Grub, heute 82 Jahre alt und noch immer unglaublich energiegeladen. Gerade plant er in München einen Autotunnel unter dem Englischen Garten. „Wir haben ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass man sich dem Neckar, diesem Lebensnerv der Region, wieder zuwenden muss“, fasst Grub seine Arbeit zusammen.

Viele ließen sich anstecken, viele waren schon unterwegs; tatsächlich ist im Grundsatz niemand gegen die Renaturierung des Neckars. So haben viele staatliche Stellen Förderprogramme aufgelegt, deren Vielfalt der Laie kaum überschaut: Das Land hat „Ikone“ und „Unser Neckar“ initiiert, die Hilfen des Regionalverbands firmieren unter dem Label „Landschaftspark“, und bei der EU gibt es gleich mehrere Förderlinien, wie Value, My favourite river oder Reuris.

Ein weiterer wichtiger Spieler ist entgegen landläufiger Meinung das Wasser- und Schifffahrtsamt. Die Behörde ist oft gar die treibende Kraft, wie jüngst in Walheim: Dort hat das Amt darauf gedrungen, eine Einstiegsanlage für Boote anzulegen, damit man den Fluss vom Wasser aus erleben kann. Was die Ufer betrifft, ist Amtschef Walter Braun längst der Ansicht, dass die Beton- und Spundwände weg gehören: „Für die Schifffahrt sind sie nicht vonnöten.

Der erste „Masterplan“ für den Neckar entstand erst 2007

Und ganz klar: ohne die Kommunen am Neckar ginge gar nichts. Allerdings: gerade bei dieser Vielfalt setzt auch die Kritik von Hermann Grub an: „Ich hätte mir gewünscht, dass es einen Arbeitskreis Neckar gibt, bei dem alle sitzen.“ So aber werkle jeder vor sich hin. Ein wenig hat sich zumindest der Verband Region Stuttgart (VRS) in die Rolle des Koordinators begeben. Im Jahr 2007 entstand unter seiner Regie ein Masterplan für den Neckar. Darin wurde der Fluss in der Region erstmals umfassend analysiert, es wurden Leitbilder entwickelt, und alle Projekte wurden zusammengetragen – so entstand ein Ideenpool, ja eine Vision. Sehr viele von den 228 Maßnahmen, die im Masterplan aufgeführt wurden, sind noch immer nicht verwirklicht – bisher hat der VRS zwei Dutzend Maßnahmen am Neckar gefördert. Dieser Masterplan wurde aber zum Prototypen für viele weitere Konzepte – etwa zur Rems oder zum Albtrauf. Nur bleiben diese Pläne unverbindlich, weil der VRS selbst nichts umsetzen kann.

Daneben gibt der Verband Geld; aus dem seit 2005 laufenden Programm wurden zehn Millionen Euro für Projekte in den Landschaftsparks bewilligt, jedoch nicht nur für solche am Neckar. Diese Zuschüsse haben eine große Bedeutung für Kommunen: „Ohne das Geld von der Region hätten wir unser Projekt nicht gestemmt“, sagt beispielsweise Martin Bernhard von der Stadt Remseck. Das Land Baden-Württemberg hat nach Aussage von Frank Lorho, dem Sprecher im Umweltministerium, in den vergangenen Jahren diverse Maßnahmen am Neckar mit insgesamt rund 3,5 Millionen Euro unterstützt.

Auch lange Planungszeiten erschweren die Realisierung

Der Weg hin zu einem grünen Neckar ist trotzdem noch weit. Das größte Hindernis ist die fehlende Fläche: Fast jeder Quadratmeter am Neckar ist irgendwie genutzt – zum Beispiel hat die Gemeinde Walheim (Kreis Ludwigsburg) nun 100 Meter Ufer renaturiert: „Mehr geht bei uns gar nicht“, so Bürgermeister Albrecht Dautel.

Ein ähnliches Problem hat Stuttgart, wo vor allem in den oberen Neckarvororten die Industrie fast alle Flächen belegt hat. Man kann der Stadt Stuttgart den Vorwurf dennoch nicht ersparen, dass sie sehr spät mit ihren Projekten begonnen hat. Nun ist sie groß eingestiegen, wird aber mit zwei weiteren Problemen konfrontiert: den langen Planungszeiten und der schwierigen Finanzierung. Die Stadt bereitet seit Jahren zwei Projekte vor – die Aufwertung des Wasenufers und die Renaturierung der Auwiesen. Dennoch wird es bis 2015 dauern, bis sie umgesetzt werden können. Und ob der Gemeinderat das Geld bewilligt, ist offen. Aber trotz allem: es lohnt sich, den Neckar an manchen Orten zu seiner wahren Natur zurückzuführen, denn er gehört, wie kaum etwas anderes, zur Seele unseres Landes. Niemand hat das so schön formuliert wie Friedrich Hölderlin.

Weitere Informationen zum Masterplan Neckar und zu einzelnen Projekten unter http://stzlinx.de/landschaftspark // Den Masterplan Neckar und Informationen zu einzelnen Projekten findet man unter http://stzlinx.de/landschaftspark