Die Stadt Stuttgart sieht keine Chance für eine Genehmigung einer Surfwelle auf einem Seitenarm des Neckars. Die Gefahren für die Gesundheit seien aufgrund der schlechten Wasserqualität zu hoch. Der Verein Neckarwelle will das Projekt trotzdem noch nicht aufgeben.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Beim Stuttgarter Kesselfestival konnten sich die Besucher im Stand Up Paddling auf dem Neckar versuchen. In Remseck gebe es einen Badestrand am Neckar, rudern, Kanufahren und eben das Paddeln im Stehen sei auf dem Neckar erlaubt, zählt der Hobbysurfer und Ingenieur Volker Sellmeier auf. Alles Aktivitäten, bei denen die Teilnehmer Wasser schlucken könnten. Für Sellmeier, Vorsitzender des Vereins Neckarwelle, ist deshalb nicht nachvollziehbar, warum die Stadt Stuttgart dem Projekt seines Vereins eine Absage erteilt hat.

 

Sie wollen deshalb ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren noch in diesem Herbst beantragen. „Die alleinige Einschätzung der Verwaltung entspricht diesem ja nicht“, so die Auffassung von Sellmeier. „Außerdem hätten wir danach die Möglichkeit, Widerspruch einzulegen und zu klagen.“ Ein Eingriff in ein Gewässer bedarf immer einer wasserrechtlichen Genehmigung. Ein derartiges Verfahren beantragen, kann an sich jeder Bürger. Allerdings kostet dies natürlich Geld. Um festzustellen, ob ein Vorhaben genehmigt werden könne, wird geprüft, ob das Wohl der Allgemeinheit beeinträchtigt werde und ob öffentlich rechtliche Vorschriften erfüllt seien. „Zur Neckarwelle können wir uns konkret nicht äußern – auch, weil uns der Antrag noch nicht vorliegt“, heißt es vom Umweltamt.

Aber wird ein derartiges Verfahren ein anderes Ergebnis bringen? Der Vorstand des Vereins sei überzeugt davon, sagt Sellmeier. Die bisherige Einschätzung der Verwaltung ist ihnen nicht verbindlich genug. Auch habe man so viel Arbeit in das Projekt gesteckt, man wolle nun nicht einfach aufgeben.

Surfer wollen sich mit der Absage der Stadt nicht abfinden

Der Verein hatte im vergangenen Jahr eine Machbarkeitsstudie für eine Flusssurfwelle auf einem Seitenarm des Neckars in Untertürkheim durchgeführt – im Auftrag der Stadt Stuttgart, die auch die Kosten in Höhe von 90 000 Euro übernommen hat. Weil Wasserproben aber eine zu hohe Belastung des Neckarwassers mit Fäkalien sowie gesundheitsgefährdenden Viren und Bakterien ergeben haben, hielt das Landesgesundheitsamt das Projekt für nicht genehmigungsfähig. Laut Baubürgermeister Peter Pätzold ist das rechtliche Risiko für die Stadt zu hoch – falls jemand tatsächlich erkrankt. Die künstliche Surfwelle sei auch nicht vergleichbar mit Genehmigungen für Einzelveranstaltungen, denn die Neckarwelle wäre dann ja eine dauerhafte Einrichtung.

Im Zuge der Machbarkeitsstudie kam der Jurist Peter Schütz von der Stuttgarter Kanzlei Kasper Knacke zu einer anderen Bewertung. So genüge es aus seiner Sicht, die Surfer durch Hinweisschilder auf die Keimbelastung aufmerksam zu machen, danach würde jeder „autonom“ darüber entscheiden, ob er sich dieser Belastung aussetzen wolle. Auch hätte der Verein entsprechende Schutzvorkehrungen vorgeschlagen. Sein Fazit deshalb: „Haftungsrisiken für die Landeshauptstadt Stuttgart sind nicht ersichtlich.“ Für Volker Sellmeier ist deshalb klar: „Da stehen nun zwei Rechtsauffassungen gegeneinander.“

Verein Neckarwelle will zur Not klagen

Auch zweifelt Sellmeier die Einschätzung des Landesgesundheitsamtes in einigen Punkten an. Im Rahmen der Machbarkeitsstudie habe man von Juli bis Oktober 2018 teilweise wöchentlich oder monatlich Proben aus dem Neckar entnommen. Den nach der Badegewässerverordnung maximal tolerierbaren Wert für die Durchfall und Darmentzündungen auslösenden Coli-Bakterien überschreitet demnach der Neckar im Mittel um das Doppelte. Auch der Spitzenwert für Enterokokken, das sind Harnwegsinfekte auslösende Bakterien, wird im Mittel nahezu ständig erreicht.

Zweifel an der richtigen Einschätzung der Messwerte

Sellmeier kritisiert aber, dass zur Bewertung der Ergebnisse eben jene Mittelwerte herangezogen wurden. Denn es habe nur an zwei bis drei Tagen diese Spitzenwerte gegeben. Alle anderen Messwerte hätten aber im Normbereich gelegen. Allerdings war bei beiden Erregern die Überschreitung dann aber sehr deutlich über den tolerablen Grenzwerten. „Die hohen Mittelwerte sind durch wenige hohe Ausreißer zustande gekommen, die nach zwei starken Niederschlagsereignissen aufgetreten sind“, so die persönliche Interpretation der Ergebnisse von Sellmeier, und er fügt hinzu: „An solchen Tagen würden wir die Welle aber ja gar nicht betreiben.“ Zusätzlich habe man nun alle bisherigen Bedenken der Stadt, die ihnen dargelegt wurde, aufgegriffen und entsprechende Maßnahmen erarbeitet. Damit kein Surfer überhaupt Wasser schlucken würde, sagt Sellmeier.

Surfer wünschen sich die „Stadt am Fluss“

Über andere, alternative Projekte wollen sie noch nicht nachdenken. „Wir wollen die Neckarwelle dort bauen und betreiben“, betont Sellmeier. Das Surfen sei ja schließlich nur ein Aspekt ihrer Idee. „Wir wollen den Neckar erlebbar machen.“