Die Behörden sehen wegen der Wassergüte keinen Ermessensspielraum. Die Vorsicht sei verständlich, denn im Schadensfall wird man die Schuldigen im Rathaus suchen, meint Autor Jörg Nauke.

Stuttgart - Die Stadt tut sich im Umgang mit dem Neckar als Freizeiteinrichtung traditionell schwer. Baden ist seit 1978 verboten, aber diverse Uferbereiche werden eigens durch aufwendige Renaturierungen erlebbar gemacht. Bunte Animationen des Vorhabens „Stadt am Fluss“ zeigen Menschen, die knietief im Neckarwasser stehen. Die Bevölkerung erst ans Ufer zu locken und sie dann mit Warnschildern wieder zu verjagen dürfte dereinst einen Erklärungsnotstand auslösen.

 

Die Neckarwelle und der Fernsehturm

Eine Maßnahme, die Stadt näher an den Kanal zu bringen, ist die Neckarwelle. Selten hat sich ein so professionelles Team im Rathaus präsentiert wie das der Hobbysurfer aus Untertürkheim. Ihr Wunsch nach einer Sportstätte, die nicht zwingend eine Anreise mit dem Flugzeug voraussetzt, ist verständlich. Dass sich der Verein dafür einen Vorfluter für Klärwerke ausgesucht hat, in dem sich Erreger tummeln, ist ein Problem, das hart gesottene Surfer weniger juckt als Behördenvertreter, die das Wohl der Allgemeinheit im Blick haben müssen. Erinnert sei an die umstrittene Schließung des Fernsehturms. Es findet sich – verständlicherweise – in einer Genehmigungsbehörde niemand, der Warnungen Dritter zu ignorieren bereit wäre, um im Schadenfall in Regress genommen zu werden. Es sind nicht die offenen Fragen der Finanzierung, die das Projekt wohl scheitern lassen, sondern die Warnungen der Gesundheitsämter, die der Wasserschutzbehörde den Ermessensspielraum nehmen. Oder gibt es ihn doch? Das Nürnberger Umweltamt beispielsweise geht davon aus, dass Surfer möglichst lange auf der Welle reiten wollen, ein Wasserbad also eher als Ausnahme betrachten. Weil Surfer kaum nass werden, spielte die Wasserqualität bei der Genehmigung keine Rolle. Man darf gespannt sein, ob diese Betrachtungsweise im Stuttgarter Rathaus Nachdenken auslöst oder eher für Erheiterung sorgt.