Weiter geht’s. Siegfried Bassler quert den Erwin-Schoettle-Platz und geht die Böblinger Straße entlang. An einem Spielplatz macht er halt. Hier gibt es die nächste Spur des unsichtbaren Gewässers. In das Pflaster des Sträßchens, das von hier zum Marienplatz führt, ist seit 2001 ein wellenförmiges Muster eingelassen. Aber: kein Schild erklärt, warum sich die Steine in Richtung Marienplatz schlängeln. „Nesabach“, hat Siegfried Bassler mal gedichtet, „vrdreckt, vrsteckt.“

 

Zu Spottgedichten hat der Nesenbach die Stuttgarter auch in früheren Zeiten inspiriert. Dem Nesenbach-Heinrich, wie der Wirt des Wilden Mannes um 1826 genannt wurde, werden folgende Zeilen zugeschrieben: „Plötzlich fällt er, und Arome breiten sich aus seinem dicken, schwarzen Schlamm. Keine Fruchtbarkeit er zwar verbreitet, aber Nasen er mit Düften weidet.“

Roland Ostertag, 81 Jahre alt, als Architekt unter anderem für die Umgestaltung des Bosch-Areals verantwortlich, wundert der rein pragmatische Umgang mit dem Nesenbach wenig. „Stuttgart ist die Stadt der Ingenieure. Es fehlt das Emotionale“, sagt er. Gerade schreibt er an einem Buch mit dem Titel: „Wasser in der Stadt – für ein schöneres Stuttgart“. Darin macht Ostertag Vorschläge, wie man den Bürgern das Wasser zurückgeben könnte. Ein Drittel des Wassers aus dem Nesenbachkanal ist sauberes Regenwasser, das sich nutzen ließe: Am Marienplatz, im Schlossgarten, überall könnte es wieder plätschern. „Die Lage am Nesenbach, an der Öffnung des Tals, das ist doch ein Schatz für eine Stadt“, sagt Ostertag.

Woher hat der Nesenbach seinen Namen? Der Volkskundler Helmut Dölker hat sich 1933 mit den Stuttgarter Flurnamen beschäftigt und kam zu dem Schluss, dass Nes ein Personenname ist. Dafür würde sprechen, dass damals Familiennamen wie Nessenthoma oder Nesenhäslin in Stuttgart verzeichnet sind. Nes könnte allerdings auch die Abkürzung von Agnes sein. Es wird jedenfalls vermutet, dass jener Agnes oder der Familie Nes mehrere Besitzungen an dem Bach gehörten. Erstmals als Nesenbach geführt wurde das etwa 13 Kilometer lange Gewässer 1504. Davor war er lange einfach nur „der Bach“. Je nach Gebiet, durch welches er floss, streckenweise auch der Vaihinger Bach oder Kaltentaler Bach. In Heslach galt er als Laisebach, in Richtung Stadtmitte als Furtbach. Mehr oder weniger offensichtlich finden sich viele seiner Bezeichnungen in den heutigen Straßennamen Stuttgarts wieder.