Braucht es 13 Jahre nach dem Film eine Serie „Zwei an einem Tag“? Unbedingt – wenn sie gut gemacht ist und von zwei so tollen Hauptdarstellern wie Ambika Mod und Leo Woodall getragen wird.

Freizeit und Unterhaltung: Theresa Schäfer (the)

Zuerst fragt man sich: Braucht es das wirklich? Eine Netflix-Serie auf Basis von David Nicholls Bestseller „Zwei an einem Tag“ (Originaltitel: „One Day“) aus dem Jahr 2009? Zumal es bei dem Streamingdienst ja den Film von 2011 zu gucken gibt. Sogar der Titel ist derselbe. Beim Film hat Nicholls das Drehbuch geschrieben, jetzt fungiert er als einer der Produzenten. Die Antwort, nachdem man die 14 Folgen gesehen hat: Ja. Braucht es.

 

Denn die neue Netflix-Serie, die in der zweiten Februarwoche an den Start ging und seither in der Top Ten der meistgestreamten Sendungen ganz oben steht, wird Nicholls Buch so viel gerechter als der Film es je konnte. Allein der Aufbau des Buches schreit ja eigentlich nach einer Serie: Emma und Dexter verbringen den letzten Tag ihrer Unizeit miteinander. Es ist der 15. Juli 1988 und statt miteinander zu schlafen (wie Dex das im Sinn hatte), quatscht Em den Schwarm aller Studentinnen von Edinburgh so lange zu, bis die Sonne aufgeht und die Vögel zu zwitschern beginnen. Die Nacht ist vorbei, die Gelegenheit für Sex auch und Dexter und Emma, die statt zum Höhepunkt zu kommen Edinburghs Hausberg Arthur’s Seat besteigen, landen in der „Friend Zone“, wie das heute heißt. Beste Freunde – wenn da bloß nicht diese anderen Gefühle wären. Von da an schaut Nicholls jeden 15. Juli bei seinen beiden Hauptfiguren vorbei. Wo sind Dex und Em im Jahr 1989? Und das Jahr darauf? Und fünf Jahre später?

Anne Hathaways Yorkshire-Akzent war eine Beleidigung

Der Film, eine britisch-amerikanische Produktion unter der Regie der Dänin Lone Scherfig, wurde diesem Konzept nie so ganz gerecht. Wie soll man die ganzen 90er in zwei Stunden quetschen? Dazu kam, dass viele britische Fans des Buches es krumm nahmen, dass ausgerechnet die New Yorkerin Anne Hathaway Emma Morley aus Leeds spielte – mit einem mühsam antrainierten Yorkshire-Akzent, bei dem sich echten Nordengländern die Nackenhaare aufstellten.

Der Morgen danach: Emma (Ambika Mod, links) mit ihrer Mitbewohnerin Tilly (Amber Grappy). Foto: Netlfix/One Day

An dieser Stelle dürfen wir vorstellen: Emma Morley aus dem Jahr 2024, gespielt von Ambika Mod. Die stammt zwar auch nicht aus Leeds, aber immerhin aus dem Norden von London, genauer aus Potters Bar in Hertfordshire. Sie hat indische Wurzeln – und es ist erfrischend, dass das in der Serie nicht umständlich erklärt, sondern mit einem so beiläufigen Dialog eingeführt wird, dass man ihn fast verpasst, wenn man nicht genau zuhört: „Ist das ein religiöses Ding, das mit dem nicht miteinander schlafen?“, fragt Dexter, der es offenbar kaum fassen kann, dass jemand die Gelegenheit auf Sex mit ihm sausen lassen könnte. Emmas Antwort: „Meine Mama ist Hindu, mein Papa nicht praktizierender Katholik – also nein, Gott hatte seine Finger nicht im Spiel.“ Gerne hätte man Mrs. und Mr. Morley auch gesehen, aber sie bleiben eine Stimme am Telefon.

Inselhopping in Griechenland: Die Serie transportiert das Lebensgefühl der 90er. Foto: OneDay/Matthew Towers/Netflix

Ambika Mod, die ihre Karriere auf Comedybühnen startete, spielt Em so verkopft, stur, selbstironisch und bissig sarkastisch wie Nicholls sie einst geschrieben hat. Sie trägt „Atomkraft, nein danke“-T-Shirts und tourt mit einem Theaterstück über die Suffragetten durch Turnhallen in der englischen Provinz. Eine echte Entdeckung ist ohnehin Leo Woodall, den Seriengucker bereits von der HBO-Produktion „The White Lotus“ kennen. Er gibt Dexter Mayhew, dem ultimativen „golden boy“, genau die richtige zarte Tendenz zum oberflächlichen Arschloch. Dex ist der unbekümmerte Popper mit Welpenblick und Fluppe im Mundwinkel, auf den die Mädchen stehen und der in seinem „Gap Year“ zwischen Florenz und Barcelona zu einem Job beim Musikfernsehen kommt, wahrscheinlich ohne einmal ein Vorstellungsgespräch absolviert zu haben.

Liebevoll besetzt sind auch die Nebenrollen: Jonny Weldon als Emmas zwanghaft lustiger Freund Ian zum Beispiel. Die unheimlich witzige Amber Grappy spielt Tilly, Emmas Mitbewohnerin, Dexter flamboyante Mutter wird von Essie Davis dargestellt. Tim McInnerny, den Rom-Com-Gucker noch aus „Notting Hill“ kennen dürften, hat eine kleine, aber fantastische Rolle als Dexters Dad.

Dexter (Leo Woodall) gibt Emma (Ambika Mod) Leichtigkeit. Foto: One Day/Teddy Cavendish/Netflix

Was aber die Serie „Zwei an einem Tag“ so viel besser macht als der Film? Sie transportiert ein Lebensgefühl. Wer in den 90er Jahren jung war, wird es erkennen. Die hochsitzenden Jeans mit den breiten Ledergürteln. Die klobigen Schuhe. Die übergroßen Holzfällerhemden. Das Inselhopping in Griechenland. Die bunten Cocktails im Tex-Mex-Restaurant. Die Anfänge des Musikfernsehens, das sich anfühlt „als werde man eine Stunde lang angeschrien“. Die Unbeschwertheit. Der nostalgische Soundtrack – Blur, The Cranberries, Radiohead, Jeff Buckley, Belle & Sebastian – tut sein Übriges.

Was übrigens nicht heißen soll, dass „Zwei an einem Tag“ nur etwas für die wäre, die sich zur Gen X, den zwischen 1965 und 1980 Geborenen, zählen. Die Frage „Was mache ich bloß mit meinem Leben?“, gerne gestellt zwischen 20 und 30, ist ja universal. Und die Liebe? Die sowieso.

„Zwei an einem Tag“ – schnell durchgeguckt

14 kurze Folgen
Jede Folge von „Zwei an einem Tag“ ist nur rund eine halbe Stunde lang. So ist die 14-teilige Serie schnell „durchgebinged“. „One Day“-Fans im Netz hoffen bereits auf eine zweite Staffel – aber das ist bei einer Mini-Serie unwahrscheinlich.

Großer Erfolg für Netflix
Für den Streamingdienst ist die Serie schon jetzt ein erfreulicher Erfolg. Sie wurde bislang weltweit 9,9 Millionen Mal gesehen. In der Top Ten der meistgestreamten Sendungen steht sie ganz oben.