Immer öfter nehmen Kabelbetreiber öffentlich-rechtliche Sender aus dem Programm. Das ärgert nicht nur das Publikum, dem stattdessen Shoppingkanäle angeboten werden, sondern auch ARD und ZDF, die dahinter einen Racheakt vermuten.

Stuttgart - Seit einiger Zeit gibt es einen Streit zwischen ARD, ZDF und Arte auf der einen sowie Kabelnetzbetreibern auf der anderen Seite. Jahrelang waren es Firmen wie Unity Media, Kabel BW oder Kabel Deutschland gewohnt, von den öffentlich-rechtlichen Sendern jährlich rund 60 Millionen Euro Einspeisegebühren zu kassieren. Zum Ende des vorigen Jahres haben die Sender die Verträge gekündigt, unter anderem mit der Begründung, dass die Netzbetreiber gesetzlich verpflichtet seien, die Programme einzuspeisen. Tatsächlich müssen die Kabelfirmen aufgrund der so genannten Must-Carry-Regelung ihren Kunden zumindest die wichtigsten öffentlich-rechtlichen Vollprogramme zugänglich machen: ARD, ZDF, das regionale dritte Programm sowie die Sparten- und Kulturkanäle Kika, 3Sat, Arte und Phoenix.

 

Dass für die Einspeisung überhaupt bezahlt werden muss, hat historische Gründe: Auf diese Weise leisteten ARD und ZDF einst, als die Kabelnetze noch der Deutschen Bundespost gehörten, ihren Beitrag zur Verkabelung des Landes. Spätestens durch den Verkauf der Infrastruktur an private Investoren wurde diese Form der Subvention zum Anachronismus. Erst kürzlich ist Kabel Deutschland mit einer Klage gegen den SWR gescheitert: Das Oberlandesgericht Stuttgart gab den Rundfunkanstalten recht. Natürlich ist die Sache für die Unternehmen damit nicht erledigt, Kabel Deutschland kündigte umgehend eine Revision beim Bundesgerichtshof an.

Die Kunden klagen immer öfter

Womöglich kommt es auch anderswo zu Reaktionen: Kabelkunden klagen immer öfter, dass öffentlich-rechtliche Sender verschwänden und durch Teleshopping-Kanäle ersetzt würden. Zuschauer in Baden-Württemberg etwa müssen auf das dritte Programm des WDR und seit kurzem auch des NDR verzichten, Kabelkunden in Nordrhein-Westfalen bedauern, dass sie den NDR nicht mehr empfangen. Statt dessen müssen sie mit Pro Sieben Maxx vorlieb nehmen. In beiden Bundesländern gehört das Kabelnetz dem US-Konzern Liberty Global, der sich 2012 auch Kabel BW einverleibt und seine beiden deutschen Töchter zur Unitymedia Kabel BW fusioniert hat. In einer Stellungnahme weist das Unternehmen jede Schuld von sich: Die öffentlich-rechtlichen Sender hätten doch selbst bekundet, keinen Wert mehr auf analoge Verbreitung ihrer Programme zu legen. Der NDR teilt mit, man habe allein in der ersten Woche nach der Ausspeisung mehr als tausend Anrufe und E-Mails aus NRW bekommen. Kein Wunder: der NDR ist dort nach dem einheimischen WDR das beliebteste ARD-Programm. Die Landesmedienanstalten, denen die Aufsicht über die Netzbetreiber obliegt, sind machtlos, so lange es sich nicht um Sender handelt, die der Must-Carry-Regelung unterliegen. Die Kabelfirmen, heißt es inoffiziell, revanchierten sich auf diese Weise für den Streit um die Einspeisegebühren.

Etwas anders verhält es sich beim französischen Programm TV 5 Monde, das sich kürzlich aus dem Analog-Angebot von Unitymedia Kabel BW verabschiedet hat. Statt dessen, beschwert sich ein Kunde, „hängen an der Kabelstrippe jetzt noch mehr Wässerchen, Pillen, Kettchen und Verkaufsidioten.“ Gerade für Baden-Württemberg und seine besondere Beziehung zu Frankreich sei dies ein Skandal. Unitymedia Kabel BW wollte dazu trotz mehrmaliger Nachfrage nicht Stellung nehmen. Laut Axel Dürr, Pressesprecher der Landesanstalt für Kommunikation in Stuttgart, sei das Unternehmen in Sachen TV 5 Monde jedoch unschuldig: Der Sender habe seine analoge Verbreitung eingestellt und werde im gesamten Bundesgebiet nur noch digital verbreitet. In Baden-Württemberg empfangen jedoch fünfzig Prozent der Kabelkunden ihr Programm auf analogem Weg.

Mit dem Röhrengerät schaut man – in die Röhre

Dürr weist zudem auf eine Besonderheit des Kabelnetzes hin: Nicht nur TV 5 Monde, auch sämtliche deutschen Sender würden nur noch digital ausgestrahlt. Es sei ein besonderer Service der Kabelnetzbetreiber, ihren Kunden nach wie vor einen analogen Empfang zu ermöglichen: Für Haushalte mit älteren Fernsehgeräten werden die digitalen Signale automatisch reanalogisiert. Will man mit einem Apparat betagter Bauart, also einem klassischen Röhrengerät, digitales Fernsehen empfangen, braucht man einen Decoder, der bei jüngeren Fernsehern automatisch integriert ist. So empfängt man unverschlüsselt und ohne Aufpreis deutlich viel mehr Programme in ungleich besserer Qualität.

Allerdings gibt es auch für das digitale Angebot der Netzbetreiber Must-Carry-Bestimmungen. Die Kabelnetzbetreiber müssen sämtliche deutschen öffentlich-rechtlichen Sender anbieten, digital kann man also alle dritten Programme empfangen. Große Privatsender wie RTL, Sat 1 und Pro Sieben gehören ohnehin auch analog ins Pflichtangebot, regionale Privatsender ebenfalls. Die weiteren Programmplätze kann der Kabelnetzbetreiber nach eigenem Gutdünken belegen, er muss dabei allein das Gebot einer Vielfalt beachten.