Der Telekom-Chef Timotheus Höttges hat nach der Entscheidung des Europaparlaments zu so genannten Überholspuren im Internet seine Pläne für neue, differenzierte Gebührenmodelle präzisiert. Sein Konzept dürfte auf heftigen Gegenwind stoßen.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Die Deutsche Telekom hat nach der Entscheidung des Europaparlaments zur so genannten Netzneutralität im Internet erstmals ihre Pläne für künftige, nach Leistung differenzierte Angebote präzisiert – und ist damit sofort auf heftige Proteste von Interessenvertretern der Netzwirtschaft gestoßen.

 

In einem Beitrag für ein Telekom-Blog kündigte der Telekom-Chef Timotheus Höttges an, wie der Konzern den nun gesetzlich möglichen Spielraum nützen will, für eine höhere Übertragungsqualität zusätzlich Geld zu verlangen. Höttges nannte als Mehrwertdienste Videokonferenzen, Online-Gaming sowie Telemedizin, die automatisierte Verkehrssteuerung und selbststeuernde Autos oder vernetzte Produktionsprozesse in der Industrie. „Gemeinsam haben diese Dienste, dass sie andere, teilweise höhere Qualitätsanforderungen haben als das einfache Surfen oder die E-Mail, die auch ein paar Millisekunden später ankommen kann. Eine Videokonferenz sollte beispielsweise auch zu Stoßzeiten im Netz nicht ins Stocken geraten“, schreibt Höttges.

Höttges fasst die Möglichkeiten weiter als Oettinger

Die Aufzählung des Telekom-Chefs geht allerdings über den Katalog hinaus, den der EU-Digitalkommissar Günther Oettinger zur Rechtfertigung des bei Netzaktivisten und Internetunternehmen höchst umstrittenen, weil angeblich zu vagen Gesetzentwurfes nannte. Höttges präzisierte auch, mit welchem Gebührenmodell er erreichen will, dass auch Start-up-Unternehmen sich die bessere Netzqualität leisten können. „Nach unseren Vorstellungen bezahlen sie dafür im Rahmen einer Umsatzbeteiligung von ein paar Prozent. Das wäre ein fairer Beitrag für die Nutzung der Infrastruktur“, meint Höttges. Damit ist aus Sicht der Telekom gewährleistet, dass am Anfang eines Unternehmens die Kosten im Rahmen bleiben. Aus der Sicht eines Start-up-Unternehmens ist ein solcher Beteiligungsanspruch aber ein problematischer Wechsel auf die Zukunft, weil bei höheren Umsätzen dann automatisch die Kosten nach oben schießen und die Telekom ungefragt an den Gewinnen partizipiert.

Schon heute, so argumentiert Höttges, seien in der Realität nicht alle Daten im Netz gleich. Von kommerziellen Anbietern würden Abogebühren etwa nach der Videoqualität differenziert. Große Anbieter wie Google, die eine eigene Server-Infrastruktur betreiben seien zudem heute bei der Netzqualität im Vorteil. Die Telekom will sich demnach als Anbieter profilieren, bei dem auch kleinere Firmen eine entsprechende hochwertige Infrastruktur mieten können – wenngleich zu entsprechenden Kosten.

Die schnelle Reaktion der Telekom nehmen Kritiker der neuen EU-Vorschriften als Beleg dafür, dass die Telekom-Konzerne die neuen Möglichkeiten zu ihren Gunsten weit auslegen. Als Kronzeugen hatten sie etwa Tim Berners-Lee, den Erfinder des World Wide Web, angeführt. „Wenn die vorliegenden Regelungen so übernommen werden, dann werden sie die Innovation, die Meinungsfreiheit und Privatsphäre bedrohen“, hatte Berners-Lee gesagt. Zu den Kritikern gehören Unternehmen wie Automaticc.inc (WordPress.com), BitTorrent, Kickstarter, Netflix, Reddit, Soundcloud, Tumblr oder Vimeo, die schon vor der Verabschiedung des Gesetzes einen gemeinsamen Appell dagegen unterschrieben haben. Die Bezeichnung „Spezialdienste“, wie Höttges sie nun gebraucht, halten sie für einen Freibrief, nun für alle möglichen Angebote zusätzliches Geld zu verlangen.