In Hamburg eskalieren die Krawalle. In den sozialen Netzwerken beginnt eine Diskussion darüber, wie weit das Recht auf Demonstration gehen darf. Ausschreitungen wie beim G20-Gipfel lehnen die allermeisten ab.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Stuttgart - Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut. Schon im Vorfeld des G-20-Gipfels wurde heftig darüber gestritten, ob ein Protestcamp aufgebaut werden darf – die Frage ging bis vor das Bundesverfassungsgericht. Die Richter in Karlsruhe hoben nach einer Klage der Veranstalter ein generelles Verbot des im Stadtpark geplanten Camps im Eilverfahren auf. Der Grund für die Vorsicht war offensichtlich: Zehntausende Gegendemonstranten aus verschiedenen Lagern machten sich auf den Weg nach Hamburg, darunter bis zu 8000 gewaltbereite Linksextremisten.

 

Angesichts der Krawalle geht die Diskussion über das Recht auf Demonstration weiter. Am Morgen nach den Ausschreitungen meldete sich die Polizei zu Wort. Offensichtlich waren auch die Beamten überrascht von den Ausmaßen der Randale in den Straßen rund um den Tagungsort.

„Überrascht sind wir natürlich von den Gewaltexzessen, die uns hier offenbar geworden sind“, sagte Polizeisprecher Ulf Wundrack am Freitag. „Das ist schon sehr erschreckend.“ Nach bisheriger Einschätzung der Polizei wurden mehr als 110 Beamte verletzt. Aber man habe natürlich mit Störaktionen gerechnet. „Deswegen waren wir auch entsprechend personell aufgestellt und haben uns positioniert“, erklärte Wundrack. Die Polizei habe von Anfang an klar gemacht, dass sie es friedlichen Teilnehmern ermöglichen wolle, ihr Demonstrationsrecht auszuüben. „Wir haben aber auch deutlich gemacht, wenn es zu Störungen kommen sollte, Straftaten aus einer Versammlung begangen werden, dass wir konsequent einschreiten“, betonte Wundrack. „Diese Linie werden wir auch weiterhin verfolgen.“

Inzwischen hat sich auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel zu dem Thema zu Wort gemeldet und sehr klar Position bezogen.

Auch Bundesinnenminister Heike Maas hat angekündigt, jegliche potenzielle gewalttätige Ausschreitungen bei Demonstrationen strafrechtlich zu ahnden. „Wenn Autoreifen in Brand gesteckt oder Polizisten verletzt werden, sind das Straftaten“, sagte Maas. Dafür gebe es „keinerlei Rechtfertigung und das wird sehr konsequent verfolgt werden“. Derartiges Verhalten sei nicht vom Recht auf friedliches Demonstrieren gedeckt. Wer glaube, den G20-Gipfel mit Gewalt begleiten zu müssen, habe jedes Demonstrationsrecht verwirkt, sagte der Minister.

Selbst der FC. St. Pauli macht sich Sorgen um das Demonstrationrecht. Der für seine linksalternativen Fans bekannte Fußballclub öffnete das Millerntorstadion für G20-Demonstranten. Die Vereinsführung habe entschieden, dass 200 Schlafplätze im Umlauf der Haupttribüne eingerichtet werden könnten, teilte der Verein mit. Damit werde auf die „absurden Campverbote“ und die „fehlenden Schlafmöglichkeiten für auswärtige Gäste“ reagiert, die gegen den Gipfel protestieren wollten.

Um die Frage der Übernachtungscamps für G20-Demonstranten gab lange Streit. Die Sicherheitsbehörden hatten Versuche gestoppt, in Parks zentrale Zeltlager aufzustellen. Das Hamburger Oberverwaltungsgericht erlaubte den Aufbau von 600 Schlafzelten im Elbpark Entenwerder und im Altonaer Volkspark. „Der FC St. Pauli steht für Weltoffenheit und Meinungsvielfalt – demokratische Werte wie Versammlungs- und Meinungsfreiheit sowie das Demonstrationsrecht sind ein hohes Gut, welches es immer zu schützen gilt“, erklärte der Verein. Friedlicher Protest sei zuzulassen.

Natürlich meldeten sich auch viele Politiker zu Wort. Sie wollten die Gelegenheit nicht entgehen lassen, ihre Meinung zum Demonstrationsrecht und den Krawallen in Hamburg kund zu tun.

Viele der Internetnutzer waren aber offenbar einfach nur geschockt, dass einige Demonstranten es bei den Protesten nur auf Randale anlegten.

Der G-20-Gipfel in Hamburg zeigt, wie das Grundrecht der Versammlungsfreiheit zerrieben wird. Es wird zerrieben zwischen Politik, Polizei und dem Teil der Demonstranten, der sich „Schwarzer Block“ oder so ähnlich nennt. Viele Twitter-Nutzer weisen genau darauf hin – gerade, weil angesichts der Krawalle immer mehr Menschen nach der Einschränkung des Demonstrationsrechtes rufen.