In der Fluxus Mall hat das erste Geschäft des weltweiten Netzwerks iFixit eröffnet. Dort können Kunden mit Unterstützung lernen, ihre elektrischen Geräte selbst zu reparieren.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Stuttgart - Manche Kundin bringt Matthias Mayer zum Weinen. Das passiert dann, wenn die zum Beispiel einen kaputten Ipod zu ihm bringt, auf dem all die geliebte, mühevoll zusammengestellte Musik drauf ist und der nun einfach nicht mehr angehen will. Mayer kennt fast jedes kleinelektronische Gerät von innen. Er kann daher zumindest Hilfe anbieten – allerdings nur mit Anleitung und Werkzeugen. Er selbst repariert für seine Kunden nichts. Nein, vielmehr lässt er sie selbst ihre Geräte aufschrauben, reinschauen, und erklärt allenfalls, wo der Fehler liegen könnte. Das ist manchmal ein mühevolles Geschäft, das auch etwas Fingerspitzengefühl verlangt. Und das bringt dann tatsächlich so manchen Besitzer zum Weinen. Am Ende aber meistens vor Glück. „Es macht die Leute immer sehr sehr glücklich, wenn sie das dann tatsächlich alleine geschafft haben,“ erzählt Mayer. „Ansteckend“ sei das Reparieren, so fanden Mayer und seine Kollegen in einer Studie des weltweiten Netzwerkes iFixit heraus. IFixit das ist quasi eine Art Wikipedia für Reparatur-Fans. Weltweit sind auf der Do-it-yourself-Plattform zwei Millionen Menschen registriert, die Zugriffe aus Deutschland auf der Website liegen bei etwa 250 000 im Monat. Selbermachen gilt inzwischen in vielen Kreisen ja längst als Statussymbol. Nur Anfänger werfen noch ihre kaputten Elektrogeräte weg und kaufen neu. Die anderen reparieren.

 

Bisher gab es die Unterstützung durch iFixit nur via Internet. 2003 wurde das Netzwerk in Amerika gegründet. Mayer, damals noch selbstständiger Wirtschaftsingenieur, beobachtete die Entwicklung der Plattform mit seinem Partner Matthias Huisken eine zeitlang, bevor er sich entschied die Europa-Niederlassung zu leiten – von Stuttgart-Degerloch aus. Angefangen haben die beiden im Jahr 2013 mit fünf Mitarbeitern, inzwischen sind es 28 am Standort Stuttgart sowie fünf weitere innerhalb Europas. Seit Anfang des Monates hat Mayer nun einen Pop Up-Repariershop – wie sich Läden auf Zeit heutzutage nennen – in der Fluxus Mall in der Calwer Passage. Dort können seine Kunden nun direkt vor Ort ihre Sachen mit der Unterstützung von ihm und seinem Team reparieren. Wer also komplett zwei linke Hände hat und mit den Anleitungen alleine zu Hause überfordert ist, der kann sich im echten Ladengeschäft nun persönlich helfen lassen. „Manche fühlen sich damit sicherer“, sagt Mayer. Aber natürlich sollten die Anleitungen – rund 25 000 in elf Sprachen hat das Netzwerk derzeit im Repertoire – dazu befähigen, es alleine zu schaffen. Und: „Auch wer letztlich scheitert, findet es meistens eine gute Erfahrung“, so sein Eindruck.

Matthias Albath aus Bad Cannstatt hat in dem Pop Up-Repairshop das Display seines Smartphones getauscht. Wie viel Feinarbeit das ist, und ob Albath erfolgreich war, zeigt unser Video.

Viele kaufen sich jährlich ein neues Smartphone

Für Matthias Mayer, Chef des Ladens, ist reparieren normal. Er hat seit seiner Kindheit nie etwas anderes gemacht, wenn ihm ein Gerät kaputt gehen. Einfach durch ein Neues ersetzen, kommt für ihn eigentlich selten in Frage. „Auch meinen Geschirrspüler habe ich neulich auseinander gebaut und mir Ersatzteile besorgt. Der läuft jetzt wieder“, sagt er.

Mayer geht es nicht ums Geldsparen, sondern vor allem auch um Nachhaltigkeit. Etwa 1,7 Milliarden neue Handys seien im vergangenen Jahr auf den Markt gekommen. Etwas mehr als sieben Milliarden Menschen leben auf der Welt, macht also fast für jeden dritten jährlich ein neues Telefon. „Viele holen sich ja ständig das neueste Gerät und haben dann daheim drei, vier rumliegen“, sagt Mayer. Er und sein Partner haben deshalb auch eine politische Mission. Sie beteiligen sich derzeit auch an einem EU-Projekt zur Reparierfähigkeit von Geräten sowie einer Plattform für Recycler. Zudem hat die Firma den „Repairability Index“ aufgestellt. Neue Geräte auf dem Markt wie Handys oder Tablets werden komplett demontiert und auf einer Skala von eins bis zehn nach ihrer Reparierbarkeit klassifiziert.

Kleine Läden wie der von iFixit oder auch die zahlreichen Repair Cafés, die es inzwischen in Stuttgart in vielen Stadtteilen wie dem Hallschlag, in Wangen, im Westen oder auch in Vaihingen gibt, engagieren sich damit auch gegen die Wegwerfmentalität, die durch immer günstigere Produkte auf dem Markt entstanden ist.

In anderen Ländern denkt man da auch inzwischen schon weiter als in Deutschland. In Schweden zum Beispiel will nun die Regierung gegen diese Entwicklung vorgehen. So plant die Regierung, die Mehrwertsteuer auf Reparaturen von Fahrrädern, Kleidung oder Schuhen um die Hälfte zu senken. Auch wer einen Handwerker bestellt, um seine Waschmaschine oder die Spülmaschine reparieren zu lassen, soll künftig für die Arbeitsstunde weniger bezahlen müssen.

Einen Bewusstseinswandel bei den Verbrauchern merkt man aber immerhin auch hierzulande, so der Eindruck von Martin Langlinderer. Er hat vor nicht ganz zwei Jahren in Feuerbach den Hobbyhimmel gegründet, eine Werkstatt für Bastler und Tüftler. Die können dort selbstständig an eigenen Projekten schaffen oder auch alte Geräte reparieren. Dort kann sich jeder einmieten, der möchte. „Es ist halt dann nicht betreut“, sagt der 36-Jährige. Aber man treffe dort immer Leute mit Erfahrung, so dass es auch untereinander zu einem Austausch komme. Im Zwei-Monats-Rhytmus veranstalte man aber ebenfalls Repair Cafés, wo die Besucher mit ihren Geräten kommen können und Unterstützung bei der Reparatur erhalten.

Obwohl es inzwischen viele solcher Cafés gibt, glaubt Langlinderer nicht, dass es bereits zu einer „Sättigung in diesem Bereich“ komme. „Die meisten Leute wissen immer noch nicht, was ein Repair Café ist.“ Umgekehrt seien viele günstige Geräte oft auch gar nicht reparierfähig, teilweise auch weil dies von Firmen natürlich nicht gewünscht ist. Konsumenten könnten dieses Problem umgehen, in dem sie eben schon beim Kauf darauf achten, dass ein Gerät möglichst lange hält.

Viele Kleingeräte lassen sich nicht reparieren

Eine andere Alternative: „Erst gar nicht so viel kaufen“, empfiehlt Langlinderer. Allein in der Europäischen Union werden jährlich knapp 10 Millionen Tonnen Handys, Computer oder Kühlschränke jedes Jahr ausrangiert. Richtig entsorgt werden sie selten. Bei vielen Dingen lohnt sich laut Langlinderer der Kauf eben tatsächlich nicht. So habe eine Studie kürzlich ergeben, dass eine Bohrmaschine durchschnittlich überhaupt nur etwa 13 Minuten genutzt werde – und zwar auf das ganze Leben hochgerechnet. „Es ist nicht wirklich ressourceneffizient, wenn jeder eine Bohrmaschine hat“, sagt Langlinderer.

Er selbst will mit gutem Beispiel voran gehen. Kleider kauft er kaum. „Da lebe ich von meinem Bestand“, sagt er. Was er an Geräten reparieren kann, repariert er, weil im der globale Umweltschutz wichtiger ist als Konsum. „Viel Elend in anderen Ländern hängt mit unserem Konsumverhalten zusammen.“ Am besten sei es jeder fange damit an, auf seinen ökologischen Fußabdruck zu achten. „Irgendwann bewegt sich dann etwas“, so hofft Langlinderer.