Fake News und Populismus, Hate-Speech und Twitter-Politik, Hacker-Angriffe und Digitalisierung - bei der Jahrestagung des Netzwerks Recherche ist viel zu besprechen. Im Mittelpunkt der Eröffnung standen Deniz Yücel und andere verfolgte Journalisten.

Hamburg - Online-Medien, Blogs und die digitale Kommunikation insgesamt verändern den Journalismus. Das war bereits beim Auftakt der Tagung des Netzwerkes Recherche am Freitag eines der bestimmenden Themen. Rund 700 Journalisten sind in Hamburg zusammengekommen, um zwei Tage lang über aktuelle Medienthemen zu diskutieren. Insgesamt stehen 132 Veranstaltungen auf dem Programm.

 

„Der etablierte Journalismus verliert an Bedeutung, die Meinungsbildung über soziale Medien nimmt zu“, sagte Dokumentarfilmer Stephan Lamby. Online-Medien und gedruckte Produkte hätten jeweils unterschiedliche Schwerpunkte. „Die Themen, die spalten, die schrill sind, die sind online wichtiger.“

Auch NDR-Moderatorin Anja Reschke sieht deutliche Veränderungen: „In den vergangenen drei Jahren wurden manche Dinge auf den Kopf gestellt, von denen wir dachten, dass sie gesetzt sind. Das ist eine Welt, die für uns schwierig wird.“ Reschke lehnte es ab, sich mit „Pöblern“ auseinanderzusetzen, die lediglich die Aufmerksamkeit auf sich lenken wollten, jedoch keine ernsthafte Diskussion. Die Debatte sei verzerrt. Auch bei der Video-Veranstaltung „Sag’s mir ins Gesicht“ des NDR hätten Kleingruppen viel Aufmerksamkeit erreicht, die gesamtgesellschaftlich irrelevant seien.

Journalisten erinnern an Schicksal verfolgter Kollegen

Auch der Umgang der Medien mit der Politik habe sich verändert. „Wir haben es mit Leuten zu tun, die wirklich lügen“, sagte Klaus Brinkbäumer, Chefredakteur des Magazins „Der Spiegel“, unter Hinweis auf US-Präsident Donald Trump. Aufgabe der Medien sei es, solche Entwicklungen zu problematisieren - und sich durchaus mit guten Sachen gemein zu machen, etwa mit Demokratie und Pressefreiheit.

Zum Auftakt der Konferenz hatten 13 prominente deutsche Journalisten jeweils einen Abschnitt eines Briefes an ihren inhaftierten Kollegen Deniz Yücel in der Türkei verlesen. Darin wird an das Schicksal verfolgter und inhaftierter Journalisten in vielen Ländern der Welt erinnert. So seien derzeit über 350 Journalisten in rund 40 Ländern eingesperrt; mehr als 90 wurden allein in den vergangenen 18 Monaten getötet. „Es ist eine schreckliche, eine empörende Bilanz.“

Der Journalist Hans Leyendecker (68) wird im Rahmen der Tagung mit einem Ehrenpreis für seine Verdienste um die Recherche und den Qualitätsjournalismus geehrt. Den diesjährigen „Leuchtturm für publizistische Leistungen“ erhält der österreichische Fernsehmoderator Armin Wolf für seine kritischen Interviews. Am Ende der Tagung verleiht das Netzwerk Recherche den Negativ-Preis „Verschlossene Auster“ an eine Person oder Institution, die im vergangenen Jahr besonders wenig von sich preisgeben wollte.