Die Serie „The Newsroom“ schlägt einen Ton an, den in öffentlichen Debatten in den USA kaum noch jemand wagt.

Stuttgart - Es gibt Fragen, die verraten mehr als tausend Antworten. Dies hier ist so eine: „Könnten Sie uns sagen, warum Amerika das großartigste Land der Welt ist?“

 

Sie wird von einer Studentin gestellt, gegen Ende einer Uni-Veranstaltung mit Politikern und Medienleuten. Der empörende Chauvinismus, der ihr zugrunde liegt, stößt niemandem sauer auf. Bis Will McAvoy (Jeff Daniels) an die Reihe kommt, der Moderator eines einstündigen Nachrichtenmagazins zur abendlichen Prime Time. „Es ist nicht das großartigste Land der Welt“, bäfft McAvoy, und die Kinnladen klappen dem Publikum nach unten, als habe er gerade gestanden, vor Beginn der Diskussion kleine Kinder mit ein wenig Rosmarin und Olivenöl verspeist zu haben.

Damit ist McAvoys Widerspruchsgeist in der ersten Folge der TV-Serie „The Newsroom“ aber noch nicht besänftigt. Der Mann, dessen Sendung bei einem großen Kabelsender längst nur noch aus Sex, Crime und Klatsch besteht, lässt nun eine Tirade gegen den Verfall der USA vom Stapel – und er hat seine Fakten parat. Weltweit, sagt er, erreichten die USA nur in drei Kategorien den Spitzenplatz: „Anzahl der inhaftierten Bürger, Anzahl der Erwachsenen, die an die Existenz von Engeln glauben, Höhe der Militärausgaben.“

„The Newsroom“ schlägt einen Ton an, den in öffentlichen Debatten in den USA kaum noch jemand wagt. Aber der liberale Showrunner Aaron Sorkin, der Schöpfer von „The West Wing“, nutzt McAvoy nicht nur als Sprachrohr für bittere Wahrheiten. Er baut die Serie komplexer auf.

Erinnerungen an die Screwball Comedy

Da ist zum einen der ernste Angriff auf die Tea Party, auf jene ultrarechte Bewegung in den USA, die nicht so sehr extreme Meinungen verbreitet, als dass sie das konsequente Verleugnen von Fakten und Realitäten zum neuen Politikstil erhebt. Dazu gesellt sich der liberale Wunschtraum eines Medienapparats, der sich seiner Verantwortung für die Demokratie wieder bewusst wird: McAvoy wird unter Gefährdung der eigenen Karriere seine Sendung radikal umkrempeln. Er will dem Wahlvolk wieder jene gut recherchierten Informationen zu wichtigen Angelegenheiten liefern, die für eine vernünftige Wahlentscheidung unabdingbar sind.

Obendrein aber knüpft „The Newsroom“ an ein Filmgenre an, an das man schnell denkt, wenn von Journalisten und Journalistinnen die Rede ist, an die Screwball Comedy. Auch „His Girl Friday“ aus dem Jahre 1940 mit Cary Grant und Rosalind Russell hat mit seinen Dialogduellen und Verwirrspielen Pate gestanden für „The Newsroom“. McAvoys Reform kommt nämlich nur zustande, weil die neue Produzentin MacKenzie McHale (Emily Mortimer) sie fordert und vorantreibt. MacKenzie aber ist McAvoys frühere Partnerin, und der Bruch der Beziehung ist das große Trauma in beider Leben.

Um diesen emotionalen Sturmkern einer Redaktion herum ordnet Sorkin mit leichter Hand Elemente einer eleganten Soap an: Wer mit wem wie weit kommen wird, welche überkreuzten Liebesdrähte sich vielleicht doch entwirren, gehört zur Geschichte dazu. Niemals aber tritt das Politische in den Hintergrund, alles ist beständig durchmischt. Die Liebe muss sich ihre kleinen Nischen in der Hektik suchen, in der täglich die Sendung vorbereitet wird.

Die Konstruktion der Einzelfolgen ist angenehm komplex. Oft sind wir zu Beginn schon mittendrin im Geschehen. Es geht um die echte Politik und die reale Nachrichtenlage, um den Wahlkampf, die Gesundheitsreform und die Jagd auf Bin Laden. Auch ein Whistleblower aus den Reihen der NSA taucht auf. Der verrät – lange vor Edward Snowden – den Journalisten, dass jeden Tag alle Telefonate und Mails in den USA ausgespäht werden. „The Newsroom“ ist ein Vergnügen, aber auch Pflicht für jeden, der wissen will, wie sich das anständige Amerika gegen die hemmungslosen Hetzer der Tea Party zur Wehr setzt.