In „Wish“ erlebt die Jugendliche Asha eine klassische Heldinnenreise. Der diesjährige Weihnachtsfilm von Disney ist ein selbstreferenzielles Potpourri, das den heutigen Populismus streift. Doch kann der neue Film aus der Märchenfabrik Groß und Klein überzeugen?
Als Walt Disney und sein Bruder Roy vor 100 Jahren in der Garage ihres Onkels eine Trickfilmfirma aufmachten, um einer gewissen Micky Maus das Laufen beizubringen, war das der Grundstein für ein Unternehmen, das den Animationsfilm, Hollywood und die globale Popkultur nachhaltig prägen sollte. Vom ersten abendfüllenden Zeichentrickfilm „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ (1937) über „Cinderella“ (1950) bis hin zu „König der Löwen“ (1994) und „Die Eiskönigin“ (2013) reicht das Portfolio der Disney-Werke, die eine junge Zuschauergeneration nach der anderen für sich eroberten.
Die meisten Träume der braven Untergebenen zerplatzen
Zu den Ritualen des Konzerns gehört es, alle paar Jahre zur Weihnachtszeit einen neuen Animationsfilm zu präsentieren.
Der Erwartungsdruck zum Firmenjubiläum ist entsprechend hoch, und das merkt man der diesjährigen Adventsproduktion „Wish“ deutlich an. Das Regieduo Chris Buck und Fawn Veerasunthorn bedient sich hier nicht wie üblich im globalen Märchenfundus, sondern setzt auf eine Originalstory, die mit Referenzen auf die Disney-Filmhistorie angereichert wird.
Das Königreich Rosas wird von seinem Herrscher Magnifico mit einem ungewöhnlichen Machtkonzept regiert. Der versierte Zauberer bietet den Bewohnern Schutz und materielles Auskommen. Voraussetzung ist, dass sie dem Magier ihren Lebenstraum übereignen, welchen dieser in gläsernen Kugeln unter der Decke seines Palastes sicher aufzubewahren verspricht. Mehrmals im Jahr sucht der Herrscher einen Traum aus, um ihn mithilfe seiner Zauberkräfte wahr werden zu lassen. Das Versprechen auf potenzielle Traumerfüllung lockt Menschen aus aller Welt nach Rosas, die sich nach der Einbürgerung jedoch nicht mehr an ihre Träume erinnern können. Und so ist die Insel bevölkert mit Menschen, die zufrieden mit ihrem Leben sind, aber auch eine gewisse ambitionslose Leere in sich verspüren. Denn was ist ein Mensch ohne seine Träume? Die Frage stellt sich die aufgeweckte 17-jährige Asha, die hinter die Machenschaften des Königs blickt. Der Zauberer sucht für seine Shows nur Träume aus, die keine Gefahr für seine Machtposition darstellen. Der Großteil der braven Untertanen hat nicht die geringste Chance auf Traumerfüllung. Nach dieser empörenden Erkenntnis tut Asha das, was alle Disney-Heldinnen in einer solchen Situation tun: Sie rennt mit wehendem Haar einen Hügel hinauf und schmettert einen kraftvollen Song Richtung Himmel. Und siehe da, ein Stern fällt vom Firmament, der fortan Asha mit seinen magischen Kräften unterstützt. Mithilfe des freundlichen Himmelskörpers und einer Handvoll treuer Freunde zettelt das Mädchen eine Rebellion auf Rosas an, um die Träume zu befreien.
Das Melangekonzept geht nicht auf
Ungewöhnlich monarchiekritisch zeigt sich dieser Jubiläumsfilm, in dem eine handfeste Revolution gegen den Autokraten vom Zaun gebrochen wird. Mit der Metaphorik der Träume, die dem Herrscher gutgläubig überlassen werden, streift „Wish“ einen gesellschaftlichen Wesenszug unserer populistischen Ära, in der sich immer mehr Menschen danach sehnen, die Verantwortung einem starken Mann mit (leeren) Versprechungen zu übergeben. So klar die metaphorische Botschaft auch formuliert wird, geht die Geschichte allerdings mit relativ einfachen Konfliktlösungen nicht wirklich in die Tiefe. Denn Disney-Veteran Buck und Regiedebütantin Veerasunthorn sind zu sehr damit beschäftigt ihren Film mit der hundertjährigen Konzernhistorie zu verbinden. Das ist mal amüsant, wenn der narzisstische Herrscher „Spieglein, Spieglein an der Wand“ sagt und sich am eigene Antlitz ergötzt, neigt aber zu oft Richtung Potpourri: hier ein Peter Pan, dort ein erwachsenes Bambi-Reh und jede Menge sprechende Tiere.
Vor allem in visueller Hinsicht geht das Melangekonzept nicht auf, das klassische Aquarellkulissen, 2-D- und 3-D-Animationen nicht zu einem stimmigen Gesamtkunstwerk verbinden kann. Die großen Disney-Werke wie „Arielle, die Meerjungfrau“, „König der Löwen“ oder zuletzt das Latino-Spektakel „Encanto“ leben davon, dass sie sich einer spezifischen Welt und Kultur verschreiben. Diese Faszinationskraft kann „Wish“ nicht entwickeln. Der Jubiläumsfilm wirkt wie eine schillernde Geburtstagstorte, der das eigene Aroma fehlt.
„Wish“ Regie: Chris Buck und Fawn Veerasunthorn, 95 Minuten, keine Altersbeschränkung, Start an diesem Donnerstag