So viel Tristesse war nie: Gérard Depardieu überzeugt als schwermütiger Kommissar in der aktuellen Georges-Simenon-Verfilmung „Maigret“, die an diesem Donnerstag startet.

Reise: Annette Schwesig (apf)

Schon wieder eine Maigret-Verfilmung! Muss das sein? Gibt es nicht genug davon – und wer interessiert sich überhaupt heute noch für die etwas aus der Zeit gefallenen Krimiklassiker des belgischen Schriftstellers Georges Simenon? 2016 begann eine britische TV-Filmreihe mit Rowan Atkinson („Mr. Bean“) als Kommissar Maigret. Die Glanzzeit der filmischen Adaptionen liegt noch weiter zurück: in den 50er Jahren mit Jean Gabin, in den 60ern mit Jean Richard und den 80ern mit Bruno Cremer. Nun schlüpft Gérard Depardieu in die Rolle des wortkargen Kommissars Maigret.

 

Ein leiser und feiner Ermittler

Obwohl die literarische Vorlage „Maigret und die junge Tote“ lautet, heißt der Film des Starregisseurs Patrice Leconte einfach nur „Maigret“. Das lässt zum einen offen, ob es der Beginn einer ganzen Reihe sein wird oder ob es bei einem einzelnen Film bleibt. Zum anderen aber ist durch den Titel gesetzt, dass die Hauptrolle in dem Film die Figur des Kommissars ist: Der Fall, der Mord, die Aufklärung, all das ist nebensächlich, im Zentrum steht einzig und allein Gérard Depardieu als leiser und feiner Ermittler.

Von Anfang an schwebt eine eigentümliche Melancholie über dem Geschehen: Die grauen, regennassen Pariser Straßen, die dunkel möblierten Wohnungen, die leise Musik, Maigrets gebeugte Körperhaltung, all das sorgt von Anbeginn dafür, dass nur wenig Spannung entsteht, dafür aber sehr viel Atmosphäre. Eine junge Frau (Clara Antoons) im eleganten, aber zerfetzten und blutverschmierten Abendkleid wird tot aufgefunden. Keiner weiß, wer sie ist, keiner vermisst sie.

Maigret nimmt die Fährte auf und begegnet bald einer weiteren jungen Frau, die ähnlich schneewittchenhaft aussieht wie die Tote. Durch die Begegnung mit der umwerfenden Betty (Jade Labeste) kann er das Verbrechen zwar nicht aufklären, aber er begreift, was die beiden Mädchen aus der Provinz nach Paris gelockt hat – er versteht nach und nach ihre Sehnsüchte, Hoffnungen und Nöte. Erst durch die Begegnung mit einer weiteren jungen Frau und ihres reichen Verlobten kann Maigret den mysteriösen Fall lösen.

Mehr Kammerspiel als Krimi

Erst ganz am Schluss wird deutlich, woher die große Leere und beeindruckende Traurigkeit des Kommissars herrühren. Er hat eine Vorgeschichte, die auch erklärt, wieso ihm das Schicksal der jungen Frauen so am Herzen liegt.

„Maigret“ steht weniger in der Tradition anderer Maigret-Verfilmungen als vielmehr in einer Reihe mit anderen Werke von Patrice Leconte: Gérard Depardieus Kommissar Maigret erinnert sehr an die sonderliche Hauptfigur aus Lecontes früher Simenon-Verfilmung „Die Verlobung des Monsieur Hire“ (1989). Und das macht auch die große Stärke der Neuinterpretation aus: „Maigret“ als Kammerspiel und nicht als klassischer Krimi, das ist zwar keine ganz neue Sicht, aber Leconte und mit ihm Depardieu setzen ganz auf diese Lesart und überzeugen damit auf ganzer Linie.

Maigret. F 2023. Regie: Patrice Leconte. Mit Gérard Depardieu, Mélanie Bernier, Jade Labeste. 88 Minuten. Ab 12 Jahren