Die Tragikomödie „Neuigkeiten aus Lappland“ bietet 80er-Jahre-Nostalgie, eine starke Frau – und finnische Skurrilität.

Strähnige Vokuhila-Frisuren, lotterige Jogginganzüge aus grellbunter Ballonseide und dicke Fellmützen: So rührend hässlich wie in Miia Tervos Tragikomödie „Neuigkeiten aus Lappland“ sieht man die in Filmen häufig verklärten 1980er-Jahre nur selten im Kino. Doch nicht nur das historische Setting wirkt exotisch – auch das lappländische Nirgendwo, in dem Miia Tervos wilde Geschichte über eine alleinerziehende Aushilfsreporterin siedelt, verströmt abseitigen Charme.

 

Niina (Oona Airola) hat allerdings keine Augen für dieses verschrobene Winterwunderland, als sie beim Transport eines Weihnachtsbaumes mit ihrem Anhänger in die Schaufensterscheibe der Lokalzeitung brettert. Seit Niinas Mann Tapio (Tommi Eronen) wegen häuslicher Gewalt im Knast sitzt, ist das Geld knapp, und die neue Scheibe somit unerschwinglich. Entsetzt über ihr Missgeschick bietet Niina Esko (Hannu-Pekka Björkman), dem Chefredakteur des Blattes, ihre Mitarbeit an. Der willigt ein, obwohl sich Niina bisher nur an Pferdegedichten und Tagebucheinträgen versucht hat.

Angesichts Niinas hilfloser Versuche, die Havarie eines Traktors im Schnee zu beschreiben, traut ihr niemand zu, die Hintergründe eines rätselhaften lauten Knalls zu recherchieren. Doch als finnische Militärs ins Dorf kommen, erhärten sich die Indizien, dass eine sowjetische Atomrakete in der Gegend abgestürzt sein könnte.

Skurriles Kino aus Finnland ist vor allem durch den Filmemacher Aki Kaurismäki bekannt geworden, der sich immer wieder mit Außenseitern und deren Alltagskämpfen beschäftigt hat. Miia Tervos Niina gehört ebenfalls in die Kategorie Underdog, deren traurige Biografie entrollt Tervo jedoch erst nach der Slapstickeinlage zu Beginn.

Bleierne Armut im dünn besiedelten finnischen Hinterland

Die anfangs so rustikal-lustige Komödie reichert Tervo mit Elementen aus Politthriller, Sozialdrama und Romanze an, was nicht immer glatt zusammen geht, die Erzählung aber auf Spannung hält. Einerseits spielt die Filmemacherin den Witz des Zeit- und Lokalkolorits voll aus, etwa, wenn sie eine Hochzeitsparty mit herrlich scheußlichen Klamotten und 80er-Pop-Hits inszeniert, wo sogar Modern Talking aus der Boom-Box scheppert und für Handgreiflichkeiten unter den Gästen sorgt.

Andererseits thematisiert sie die bleierne Armut im dünn besiedelten finnischen Hinterland; zeigt die im Pressspan-Look möblierten, schal ausgeleuchteten Wohnstuben und vom Dauerschnee schmutzigen Autos. In dieser Tristesse wird die Liebelei mit dem Militärpiloten Kai (Pyry Kähkönen) zu Niinas Fluchtpunkt, während sich draußen eine Katastrophe anbahnt. Damit löst Tervo ihre Geschichte aus dem historischen Rahmen und überführt sie in die Gegenwart: So, wie Niina allmählich lernt, sich gegen ihren Ex-Mann und im Job als Reporterin zu behaupten, müssten sich die Finnen im Film und die Europäer heute viel entschiedener gegen den russischen Aggressor wehren. Gegen Männer mit bösen Absichten muss man aufstehen, erzählt Tervo, die Angst zu verdrängen, hilft nicht weiter.

Neuigkeiten aus Lappland. Finnland, Estland 2024. Regie. Miia Tervo. Mit Oona Airola, Hannu-Pekka Björkman. 119 Minuten. Ab 12 Jahren