Leander Haußmanns neuer Film „Stasikomödie“ ist ein witziger, melancholischer, aber auch sehr altersmilder Rückblick auf die DDR. Ist der Film einen Kinobesuch wert?

Harmlos geht es in keiner Diktatur zu. Doch die Deutsche Demokratische Republik, kurz DDR, löst seit ihrem Ende im Herbst 1989 hier und da eine befremdliche Form der Sentimentalität aus. Unterm Begriff „Ostalgie“ gedenkt man exotischer Spezialitäten wie der Spreewaldgurke, aber auch regimekritischer Musikgruppen wie Silly oder City. Im rosaroten Rückblick tuckert der Trabi tadellos über Schlaglöcher hinweg, und die FDJ taugt zum besseren Pfadfinderverein. Allmählich verblasst dagegen die Erinnerung an Schikane, Mangelwirtschaft und Bespitzelung. Wer sich realistischer erinnern will, dem kann ein Film mit dem Titel „Stasikomödie“ erst einmal bitter aufstoßen. Gedreht hat ihn der Filme- und Theatermacher Leander Haußmann als abschließenden Teil seiner im Jahr 2000 mit „Sonnenallee“ begonnenen und 2005 mit „NVA“ fortgeführten DDR-Trilogie. Während „Sonnenallee“ eine Jugend unter erschwerten Ost-Bedingungen schilderte, verniedlichte „NVA“ den rigiden sozialistischen Militärdrill, der jede noch so kleine Anwandlung individualistischen Rebellentums im Keim erstickte. Ob nun die „Stasikomödie“ mehr Wahrheit zulässt?

 

Wie viel Wahrheit steckt im Rückblick?

Die Geschichte beginnt mit einem Rückblick ins Leben des Romanautors Ludger Fuchs (Jörg Schüttauf), der im Jahr 2022 die eigene Stasi-Akte einsehen will. Seinen Kindern und Literatur-Fans gilt Fuchs als Oppositioneller, doch ein Zufallsfund in der Akte legt nahe, dass der Literat eine doppelte, weniger glanzvolle Vergangenheit verschweigt.

Als 17-jähriger wird Fuchs (David Kross) von der Stasi angeworben. Als neuer Informeller Mitarbeiter, kurz IM, soll er sich in die Künstler-Szene vom Prenzlauer Berg einschleusen. Leander Haußmann problematisiert das nicht weiter, sondern erzählt, wie sich der junge Mann in der Bohème der frühen Achtziger ein zweites, schöneres Leben aufbaut. Zwar ständig beobachtet von seinem vorgesetzten Offizier Siemens (Henry Hübchen), aber doch frei genug, um sich gleich mit zwei Frauen zu vergnügen.

Haußmanns DDR-Bezug ermöglicht authentische Einblicke

Leander Haußmann ist selbst ein Kind der DDR und begann seine Karriere an ostdeutschen Theatern. Von daher wirken dessen filmische Ansichten des DDR-Alltags authentisch. Mit bissigem Witz und üppigen historischen Details schildert er, wie Ludger nicht nur zwischen Bohème-WG und Stasi-Hauptquartier pendelt, sondern auch zwischen zwei unterschiedlichen Mentalitäten. Die freiheitlich-avantgardistisch gesinnte, erstaunlich apolitische Szene der Paradiesvögel vom Prenzlauer Berg steht im krassen Widerspruch zur Staatsdoktrin der kleinbürgerlichen Kommissköpfe in der Stasi-Hierarchie. Henry Hübchen gibt Ludgers Vorgesetzten als gefährlich-lustigen Mephistopheles, der junge Leute mit diebischem Vergnügen in den Abgrund der Abhörzentrale zieht, zugleich aber auch die Annehmlichkeiten des Doppellebens genießt. Bei seinen Kontrollbesuchen gibt sich Siemens als Ludgers Vater aus, der mit den Freundinnen seines vermeintlichen Sohnes schäkert und auch sonst einen eher unsoldatischen Lebensstil mit zuviel Zigaretten und noch mehr Schnaps genießt. Überzeugend abstoßend zeichnet Haußmann auch den Stasi-Minister Erich Mielke, der seine Gurken im rechten Winkel zum Wurstbrot auf dem Teller drapieren lässt und sich anlässlich seines Geburtstages als feudalistischer Sonnenkönig kostümiert, auf seinem Landsitz selbst feiert – inklusive Rokoko-Perücke und historisch gewandeter Festgesellschaft, die für Mielke das Lied vom kleinen Trompeter schmettern muss. Dazwischen Ludger in seiner Hippie-Kommune, die sich im Look und Sprachgebrauch kaum von westlicher Protest- und Subkulturbewegung unterscheidet. Eine große Stärke der „Stasikomödie“ ist dann auch die komödiantisch geschliffene Figuren- und Milieuzeichnung, der teils hämische Humor, mit dem Haußmann den spießigen Arbeiter- und Bauernstaat porträtiert.

Die Grausamkeit der Diktatur kommt zu kurz

Intensiv wirkt auch die Melancholie, mit der der 62-jährige Regisseur die eigene Jugendzeit wieder auferstehen lässt. Aber da liegt auch das Problem. Die tatsächliche Grausamkeit des Regimes und seiner Disziplinierungsapparate kommt zu kurz. Nur einmal, als Ludger von Siemens in einen gekachelten Kellerraum geführt wird, scheint im Film der wahre DDR-Terror auf - heute ist fast vergessen, wie viele Menschen in solchen Zellen per „unerwartetem Nahschuss“ ins Genick hingerichtet wurden. Ludger aber bleibt eine schillernde Figur, weder Rebell, noch strammer Staatsdiener, bloß einer, der sich durchlaviert. Damit relativiert Haußmann die Rolle der DDR-Spitzel, nach dem Motto: Waren wir nicht alle ein bisschen IM?

Stasikomödie. D 2022. Regie: Leander Haußmann. Mit David Kross, Antonia Bill, Deleila Piasko. 115 Minuten. Ab 12 Jahren.