Katrin Albsteiger, die frisch gewählte Oberbürgermeisterin von Neu-Ulm, steht für die Modernisierungsfähigkeit der bayerischen CSU. Am Kräftemessen mit dem größeren württembergischen Ulm zeigt sie keinerlei Interesse.

Politik/Baden-Württemberg: Rüdiger Bäßler (rub)

Neu-Ulm - Der Job einer Oberbürgermeisterin ist in Neu-Ulm anstrengend genug. Ärger über den manchmal planierraupenartigen Habitus des benachbarten Ulm bräuchte es da wirklich nicht. Aus 14 Stadtteilen besteht die kleinere bayerische Schwester mit ihren 63 000 Einwohnern. Argwöhnisch überwachen deren Vertreter im Gemeinderat die gerechte Verteilung der Haushaltsgelder für Kitaplätze, Buslinien oder Brunnenbauten. Was nicht geteilt werden kann, fällt dann gerne unter den Ratstisch – so wie schon seit Jahrzehnten eine Verlängerung des Ulmer Straßenbahnnetzes über die Donau hinweg.

 

Katrin Albsteiger hat die Sache trotzdem angepackt. Sie kandidierte bei der Oberbürgermeisterwahl am 15. März und gewann im ersten Durchlauf mit 52 Prozent der Stimmen. Ohne CSU-Parteibuch wäre das wohl kaum möglich gewesen. Aber darüber hinaus steckt der 36-Jährigen so gar kein Hinterzimmermuff in den Kleidern. Fridays for Future findet die Mutter zweier Töchter notwendig. „Zur Klimaschutzpolitik müssen wir noch mal debattieren“, sagt sie. Die Bildung eines Klimaschutzbeirats unter Beteiligung von Unternehmern und Landwirten steht fest auf ihrer Agenda; auch wenn dessen Umsetzung bisher durch die Coronakrise behindert wurde. Sie fährt, wann immer möglich, mit dem Fahrrad ins Rathaus. Und sie zeigt und erklärt sich in gut gemachten Aufsprechern regelmäßig auf ihrer Facebook-Seite. Kein Wunder – sie wollte in frühen Studientagen mal Nachrichtensprecherin werden.

Für eine Legislatur im Bundestag

Aber Vorsicht. Die neue Oberbürgermeisterin ist keine Seiteneinsteigerin, keine Überraschungsfrau aus den Wahrnehmungsschatten des öffentlichen Lebens. Sie hat lange und ausdauernd im Weinberg der bayerischen CSU gedient. Erst ungestüm als Revoluzzerin innerhalb der Jungen Union, als deren Mitglied sie vor der bayerischen Staatskanzlei gegen die Einführung des achtjährigen Gymnasiums protestierte. Später wurde sie unter ihrem Mädchennamen Poleschner stellvertretende JU-Landesvorsitzende, Gemeinderätin der Gemeinde Elchingen im Kreis Neu-Ulm, Kreisrätin, trat 2009 als Referentin für Bildung in die CSU-Landesleitung ein. Von 2013 bis 2017 vertrat die Jungpolitikerin ihre Heimatstadt als Abgeordnete im Deutschen Bundestag. In Rathäusern, auch baden-württembergischen, kannte man sie bis zu ihrer Wahl als Kommunalberaterin der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm.

Neben der Energieversorgung hat die Doppelstadt noch viele gemeinsame Projekte. Das Tourismusmarketing gehört dazu oder ein Erlebnisbad. Als 2011 die die gemeinsam finanzierte neue Basketball- und Konzertspielstätte Ratiopharm-Arena auf Neu-Ulmer Grund und Boden eröffnet wurde, lächelten die Ulmer Politikvertreter dennoch tapfer. Ganz kürzlich haben die beiden Städte gemeinsam einen Wohnmobilstellplatz eingeweiht.

Die Idee eines eigenen Stadtkreises fand sie gut

Aus Beton war dieser Frieden jedoch nie. Albsteigers CSU-Vorgänger im Amt, Gerold Noerenberg, konnte sich sehr aufregen, wenn er beispielsweise das Gefühl hatte, seine Stadt sei bei der Eröffnung des zweijährigen gemeinsamen Donaufestes unterrepräsentiert. Auf sein Betreiben eröffnete 2015 in der Stadtmitte die Glacis-Galerie, ein gewaltiges Einkaufszentrum. Da hatten die Ulmer ihrerseits am Bahnhof den Bau der Sedelhöfe begonnen. Das war Städtewettlauf in reinster Form. Neu-Ulm, bemerkte Noerenberg seinerzeit, sei nun „auch Einkaufsstadt“. 2017 setzte er alles in Bewegung, um Neu-Ulm zum eigenständigen bayerischen Stadtkreis zu machen – so wie Ulm ein eigener Stadtkreis ist. Die Stadtgesellschaft wurde über Monate durch den „Nuxit“ aufgewühlt. Als Noerenberg damit im Münchner Landtag scheiterte, verzichtete er auf eine neuerliche Kandidatur.

OB Albsteiger hätte den Machtzuwachs durch die Kreiserhebung gut gefunden, sagt sie. Nun nimmt sie die Dinge, wie sie sind. Um die Einbeziehung des Bürgerwillens möchte sie sich zukünftig stark bemühen, will möglichst oft dem nachspüren, was ihre Wählerschaft bewegt. Sie sei „keine Lehrerin und keine Bekehrerin“.

Der Ulmer Habitus ist ihr nicht wichtig

Und wenn die Ulmer mal wieder den richtigen Ton nicht finden und herablassend klingen? Katrin Albsteiger kündigt größtmögliche Gelassenheit an. „Ich hab’ kein so großes Ego.“ Das klingt wie der Beginn einer wunderbaren neuen Zusammenarbeit.