Mit jedem weiteren Todesfall durch die neuartige Lungenkrankheit in China wächst auch hierzulande die Angst vor dem Coronavirus, das dahinter steckt. Wir erklären, was Viren von anderen Krankheitserregern unterscheidet – und zu einem Erfolgsmodell der Evolution macht.

Wissen/Gesundheit: Werner Ludwig (lud)

Stuttgart - Noch sind viele Fragen zum neuartigen Coronavirus 2019-nCoV unbeantwortet. Klar scheint aber, dass der Krankheitserreger von Wildtieren – im Gespräch sind Schlangen und Fledermäuse – auf den Menschen übergesprungen ist. Auch die Viren Sars, Mers, oder H5N1, die bei früheren Ausbrüchen für Hunderte von Todesfällen verantwortlich waren, sind tierischen Ursprungs – ebenso wie das HI-Virus.

 

Dass vielen Viren ein Wirtswechsel vergleichsweise leicht fällt, hängt mit ihrer enormen Anpassungsfähigkeit zusammen. Und die wiederum ist Folge einer ausgeprägten Schlamperei bei der Weitergabe von Erbinformationen an nachfolgende Generationen. Die Wahrscheinlichkeit zufälliger Veränderungen (Mutationen) beim Kopieren der Erbanlagen ist bei Viren besonders hoch. Dadurch bilden sich immer wieder neue Varianten. Entsprechend groß ist die Chance, dass einer der neuen Typen die Immunabwehr eines Organismus durchbricht, der bislang gar nicht anfällig für dieses Virus war.

Enorm hohe Mutationsrate

Die Erbinformation vieler Viren wird in Form von Ribonukleinsäure (RNA) gespeichert. Diese sogenannten RNA-Viren, zu denen auch das aktuelle Coronavirus gehört, haben „die höchsten Mutationsrate, die je gemessen wurden“, schreiben Forscher der Max-Planck-Gesellschaft. Viele Mutationen sind zwar auch schädlich oder tödlich, aber diesen Nachteil gleichen Viren wie auch viele andere Krankheitserreger durch hohe Vermehrungsraten aus. Sie haben gewissermaßen sehr viele Eisen im Feuer – und damit eine hohe Chance, dass eines davon passt.

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So vital und wandlungsfähig sie auch erscheinen mögen – bis heute ist umstritten, ob Viren überhaupt Lebewesen im engeren Sinn sind. Denn die Definition von Leben beinhaltet insgesamt sechs Eigenschaften, von denen Viren mindestens eine wesentliche fehlt: Sie haben keinen eigenen Stoffwechsel. Sie lassen stattdessen ihre Wirtszellen für sich arbeiten. Viren bauen ihr eigenes Erbgut in das Erbgut der befallenen Zellen ein und programmieren sie dadurch so um, dass sie neue Viren bilden, die weitere Zellen befallen können. Der Nobelpreisträger Sir Peter Medawar brachte es auf den Punkt: „Viren sind in Eiweiß verpackte schlechte Nachrichten.“

Schlechte Nachrichten in einer Eiweißhülle

Das beschreibt zugleich die Struktur dieser Wesen. Sie bestehen im Wesentlichen aus reiner Erbinformation, die lediglich in eine dünne Schutzhülle aus Eiweißmolekülen verpackt ist. An dieser Eiweißhülle kann das Immunsystem von Menschen und Tieren erkennen, dass sich ein unerwünschter Eindringling im Körper befindet – und entsprechende Antikörper bilden. Diesen Mechanismus macht man sich bei Impfungen gegen Viruskrankheiten zunutze, bei denen abgeschwächte Viren injiziert werden. Doch auch hier stellt die enorme Wandlungsfähigkeit von Viren ein Problem dar. Die Folge kann man selber spüren, wenn man trotz einer Mehrfach-Grippeimpfung eine Virusgrippe bekommt, weil inzwischen ein neuer Stamm aufgetaucht ist. Auf diesen ist die körpereigene Abwehr trotz Impfung nicht gut vorbereitet. Entsprechend länger braucht das Immunsystem, um die Influenzaviren in Schach zu halten. Weil das nicht immer gelingt – besonders bei bereits geschwächten Menschen –, sterben jedes Jahr allein in Deutschland Tausende Menschen.