Das ZDF legt das „Literarische Quartett“ neu auf. Auf Reich-Ranickis Spuren wandelt Volker Weidermann, an seiner Seite sind Christine Westermann und Maxim Biller.

Stuttgart - Solange der Meister des literarischen Streitgesprächs noch lebte, wäre das vermutlich nicht möglich gewesen: die Sendung in neuer Besetzung wiederzubeleben, die dem Literaturkritiker Marcel Reich-Ranicki TV-Prominenz bis weit in die Kreise der Nichtleser verschafft hat. Aber nun, kurz nach dem zweiten Todestag von „MRR“, wagt das ZDF im Oktober den Versuch einer Neuauflage des „Literarischen Quartetts“. Volker Weidermann (45), lange Jahre als unbeirrt begeisterungsfähiger Dichter-Besucher und -Belobiger in der FAS und seit Kurzem im „Spiegel“ auffällig, soll die Diskutantentruppe anführen, zur Stammbesetzung gehören außerdem der Kolumnist und Schriftsteller Maxim Biller (54) und die Fernsehmoderatorin Christine Westermann (66). Dazu wird jeweils „ein prominenter Gast“ eingeladen, um das Quartett zu vervollständigen. Damit beendet das ZDF zugleich den Versuch, mit Wolfgang Herles’ „Blauem Sofa“ Denis Schecks erfolgreicher Büchersendung „Druckfrisch“ im Ersten nachzueifern.

 

Im Gespräch mit der aktuellen Ausgabe der „Zeit“ bezeichnete Weidermann Biller und Westermann als „Wunschkandidaten“. Auch ihm ist nicht entgangen, dass die „Zimmer-frei“-Wirtin noch nie eine Literaturkritik geschrieben, sondern sich mit munter hingeplauderten Lektüreempfehlungen in Funk und Fernsehen bekannt gemacht hat. Aber, so der künftige Quartett-Moderator, „sie wird nun auch Bücher lesen müssen, die ihr nicht gefallen. Das setzt früher oder später negative Energien frei.“ An negativen Energien wiederum gebricht es Maxim Biller nicht. Seine Kolumne „100 Zeilen Hass“ war in den frühen Neunzigern ein Markenzeichen des Magazins „Tempo“, und sein literarisches Schaffen promotete er wiederholt und erfolgreich mit lärmenden Debattenbeiträgen.

Mehr Unterhaltung als Kritik?

Vom neuen Personal abgesehen soll alles sein wie damals: vier Leute in vier Sesseln, die darüber streiten, ob ein Buch „gut“ oder „schlecht“ ist. Das Ziel sei „beste literarische Unterhaltung, Kritik und Leidenschaft ganz in der Tradition des legendären ,Literarischen Quartetts’ mit Marcel Reich-Ranicki“, teilt der ZDF-Kulturchef Peter Arens mit.

Tatsächlich bot schon das Original- „Quartett“ häufig mehr Unterhaltung und Leidenschaft (und zunehmend Nickeligkeiten der Herren MRR und Karasek gegen Sigrid Löffler) als Kritik, was zum Erfolg der Sendung maßgeblich beitrug. Dennoch ging es beim Reden über Bücher grundsätzlich auch darum, den literaturkritischen Geist bei der Arbeit mit seinen Werkzeugen zu zeigen. Insofern wird in der Neufassung dann doch etwas Wesentliches anders, denn Weidermann allein, dessen Schreiben über Literatur – wenn es nicht eh ein Schreiben über deren Verfertiger, die Autoren ist – allzeit bereit zur freundlichen Emphase scheint, wird das nicht schaffen. Mit der Unterstützung der mutterwitzigen Westermann, des auf Krawall gebürsteten Biller und des „prominenten Gastes“ ist aber sicherlich deren fernsehtaugliche Simulation hinzukriegen.