Die Neuausrichtung der Kreiskliniken in Calw und Nagold stößt insbesondere in Calw auf Kritik. Der Gutachter und Landrat Helmut Riegger haben sich bei einer Infoveranstaltung mehr als 1000 Bürgern gestellt und erneut für ihr Konzept geworben.

Calw - Gegensätzlicher kann man eine Infoveranstaltung nicht zusammenfassen. „Der Landrat ist eingeknickt“, sagt Eberhard Bantel, einer der Sprecher der Calwer Bürgerinitiative, und vereinnahmt die rund 1000 Besucher auf seiner kritischen Seite. „Ich bin nicht eingeknickt“, sagt Landrat Helmut Riegger und preist die Veranstaltung entgegen anderslautender Aussagen als „sachlich und fair“. Den Bürgern sei das „Szenario 3plus“ noch mal erläutert worden, mit dem die stationäre Versorgung der Kreisbevölkerung wohnortnah gesichert werden solle.

 

Demnach soll das rund 100 Jahre alte Krankenhaus in der Calwer Innenstadt abgerissen und vermutlich auf dem Stammheimer Feld neu gebaut werden. Veranschlagt sind für das Haus mit 105 Betten zur Grund- und Regelversorgung laut Gutachter rund 30 Millionen Euro. Zudem soll dort in Kooperation mit einem privaten Rehaanbieter ein Gesundheitscampus entstehen. Das deutlich größere Kreiskrankenhaus in Nagold soll mit 254 Betten zu einem Schwerpunktklinikum werden. Die Sanierungskosten dort werden auf mehr als 32 Millionen Euro beziffert. Rein organisatorisch sind die Kreiskliniken ein Haus an zwei Standorten. Für Nagold wird ein Plus von fünf Millionen errechnet, das Calwer Haus soll trotz Neubau ein Minus von vier Millionen Euro schreiben, in der Bilanz stünde also eine „schwarze Null“.

Einen zentralen Neubau wollte niemand haben

In einem bald zwei Jahre währenden Prozess waren mit landesweit beispielloser Bürgerbeteiligung – Mitbestimmung gab es auch bei der Auswahl des Gutachterbüros – Szenarien entwickelt worden. Das eine, die Aufgabe der Kliniken in Calw und Nagold und ein zentraler Neubau auf der grünen Wiese in der Kreismitte, hatte schon damals helle Aufregung ausgelöst. Letztlich empfahl der Gutachter ein Szenario drei, das ebenfalls mit Bürgerbeteiligung in „3plus“ umgewandelt wurde: Calw erhält mit der Neurologie einen medizinischen Schwerpunkt. Der Gutachter, erinnert sich der SPD-Fraktionsvorsitzende und frühere Nagolder OB Rainer Prewo, bewertete diese wirtschaftlich nicht optimale Lösung als möglich, aber „sie hat ihren Preis“. Auch der Kreistag stimmte für dieses „Zugeständnis“ an die Stadt Calw, sagte Jürgen Großmann, OB in Nagold und Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion.

Sozialministerium und Landeskrankenhausausschuss genehmigten dieses Konzept mit 359 Planbetten, der Förderbescheid liegt vor. Der Landrat wertet dies als Erfolg für ein schlüssiges Konzept. Die Zweifel, die der Calwer OB Ralf Eggert wie auch die Bürgerinitiative immer noch daran hegen, ärgern Prewo und Großmann mittlerweile, zumal keine Alternative in Sicht sei. „Hier wird auf hohem Niveau gepokert“, sagt Großmann und lässt anklingen, dass die Stimmung bei den anderen Gemeinden im Kreis „kippen könne“. Inzwischen aber hat sich die zweitgrößte Fraktion im Kreistag, die Freien Wähler, den Zweifeln ihres Fraktionsmitglieds Eggert angeschlossen und fordert eine „Plausibilitätsprüfung“ des Gutachtens.

Mehr als 359 Planbetten wird es in den Kreiskliniken nicht geben

„Das bringt nur Zeitverlust, und die haben wir nicht“, sagt Landrat Riegger gegenüber der StZ, will aber im Kreistag darüber diskutieren. „Wir machen etwas Gutes: Wir bauen ein neues Krankenhaus und einen Gesundheitscampus“, warb Riegger. Seine Aussage, bis zu 130 Betten seien in Calw nun doch möglich, sei kein Zugeständnis, stellt der Klinikverbund Südwest richtig. Das hänge mit dem medizinischen Konzept zusammen, das gerade mit den Chefärzten im gesamten Verbund diskutiert werde. So werden wohl die Belegbetten in der Geburtshilfe in Calw zu einer Hauptabteilung ausgebaut. Es bleibt jedoch bei der Zahl von insgesamt 359 Planbetten für die Kreiskliniken, da nur dafür eine Förderzusage des Sozialministeriums vorliege.