Neubau in Stuttgart Anrainer: Signa reißt „aus Raffgier“ ab
Im Bezirksbeirat Mitte haben sich Mitglieder und der Nachbarnsprecher an dem geplanten Signa-Neubau an der Ecke König-/Schulstraße abgearbeitet. Büros brauche dort niemand, hieß es.
Im Bezirksbeirat Mitte haben sich Mitglieder und der Nachbarnsprecher an dem geplanten Signa-Neubau an der Ecke König-/Schulstraße abgearbeitet. Büros brauche dort niemand, hieß es.
Der Neubau der Firma Signa Real Estate an der Ecke König-/Schulstraße beschäftigt die Kommunalpolitik weiterhin, allerdings ohne dass konkret Einfluss auf das Projekt genommen worden wäre. Denn das zum Konzern des österreichischen Immobilienhändlers René Benko gehörende Unternehmen hat sich entschieden, nach dem Abriss des ehemaligen Sportarena-Gebäudes innerhalb des bestehenden Planrechts zu bauen und genießt dadurch viele Freiheiten.
Mit der Entkernung ist bereits begonnen worden, ohne dass dies Auswirkungen auf die öffentlichen Flächen hätte. Dies ist aber in unterschiedlichem Maße während der Bauphase zu erwarten, die bis Sommer 2025 dauern soll. Deshalb versuchen die betroffenen Anrainer an der Schulstraße und die Stadtverwaltung in Gesprächen mit der Firma Signa zu erreichen, dass das Unternehmen diese Belastungen auf ein Minimum reduziert. Es heißt, die Stadt werde die Bauzäune regelmäßig kontrollieren. Die Baustelleneinrichtung könnte den Zugang zur oberen Schulstraße zumindest teilweise extrem reduzieren; zudem muss der Zugang zur Galerie und der dort angesiedelten Gastronomie infolge des Abrisses vorübergehend über einen 1,80 breiten Steg erfolgen. Daher entfällt die Hälfte der Treppenanlage von der Königstraße hinab in die Schulstraße, unter der sich die zentrale Stromeinspeisung und der Zugang zur zentralen Übergabestation der Stuttgart Netze für den gesamten Gebäudekomplex Königstraße 27 befindet; zudem läuft längs unter der Treppe eine weitere Stromtrasse in die Schulstraße hinunter.
Es droht ein Flaschenhals. Am liebsten wäre es den Nachbarn, dem Linksbündnis im Gemeinderat und den meisten der Mitglieder des Bezirksbeirats Mitte, Signa würde das Gebäude sanieren, anstatt es bis auf die Grundmauern zu schleifen. „Es ist nicht mehr zeitgemäß, alles abzureißen“, sagte der Anrainer Steffen Kern. Das mache man nur, „um schnell Geld zu verdienen“, so der Architekt in dieser Woche im Bezirksbeirat.
In der Sitzung betonte der Deutschland-Chef der Signa, Tobias Sauerbier, die Frage, nach einem Abriss stelle man sich im Betrieb jedes Mal. In Stuttgart sei der Abbruch nicht zu verhindern, weil im Bestandsgebäude Stützen und tragende Wandscheiben fehlten, das seien K.-o.-Kriterien. Alle Parteien wollen weiterhin im Austausch bleiben.
So wird noch eine Aktualisierung eines Gutachtens gewartet, das Passantenströme in der Schulstraße darstellt. Der von den Anrainern mit einem Baugutachten beauftragte Frank Schweser durfte bisher noch nicht vortragen. Im Bezirksbeirat wurde Kritik am Entwurf des wegen seiner beiden Unter- und fünf Obergeschosse „Fünf hoch Zwei“ genannten Gebäudes laut. „Viel Glas, wenig Grün“, sagte Heinrich-Hermann Huth (SPD) und erinnerte an die Verantwortung von Investoren „für das Stadtklima“.
Auch die Nutzung stieß bei ihm und einigen Mitstreitern auf Kritik: Geschlossene Läden und verwaiste Büros statt Wohnungen und Flächen für Kunst und Kultur führten dazu, „dass die Stadt abends und sonntags tot ist“.
Zumindest der Königstraße drohen schwarze Schaufenster, denn Bezirksvorsteherin Veronika Kienzle (Grüne) verwies auf den geplanten Neubau der LBBW am Eingang der Einkaufsmeile und auf das zweite Signa-Projekt an der Eberhardstraße, wo Galeria Kaufhof der Deutschen Bundesbank weichen muss. „Wofür noch mehr Büroflächen?“ fragte Steffen Kern und lieferte die Antwort gleich mit: „Aus reiner Raffgier.“
Für diese „Fehlplanung“ an der Schulstraße muss sich auch die Stadtverwaltung rechtfertigen. Carolin zur Brügge vom Stadtplanungsamt räumte ein, dass Abriss und Neubau nicht mehr dem Zeitgeist entsprächen, betont aber, dass man mit dem Projekt schon mehr als zwei Jahre unterwegs sei und man anfangs „diese Debatte nicht geführt hat“. Der Gestaltungsbeirat habe die jetzt als beliebig empfundene Fassade „auch nicht kritisch gesehen“. Das beratende Gremium hatte im Oktober 2020 Planer und Bauherrin für ihr „Gespür für die Bedeutung des Orts im Stadtgefüge und für die Vorbildfunktion dieser Bauaufgabe“ gelobt. Die mit namhaften Externen besetzte Beratergruppe begrüßte auch, dass das Nutzungsprogramm vielfältiger werde. Das Gremium fand aber, die Stadt sollte einen neuen Bebauungsplan aufstellen; davon würden Investor und Kommune profitieren.
Der größere Spielraum sei nötig, um die Entwicklung der Schulstraße und der angrenzenden Bereiche, vor allem des Hinterhofs an der Straße „Unter der Mauer“, zu steuern und das Areal insgesamt aufzuwerten. Der Beirat empfahl der Bauherrin, einen Wettbewerb unter städtischer Beteiligung durchzuführen. Daraus wurde nichts. Die Signa beauftragte das Büro Steidle Architekten, dessen Referenz in Stuttgart der nicht umgesetzte Vorschlag für das große Eiermann-Areal in Stuttgart-Vaihingen ist.