Das Literaturarchiv in Marbach am Neckar will sich vergrößern. Im Bereich der Erweiterungsfläche stehen aber mehrere große Bäume. Die Frage ist nun, was mit den Gewächsen passiert.
Dass um einen einzigen Baum so hartnäckig gerungen wird, wie um die Eiche vor ihrer Filiale am Marbacher König-Wilhelm-Platz, hätte sich die Volksbank wohl nie träumen lassen. Doch Naturfreunde sammelten sogar Unterschriften für den Erhalt des mehr als 100 Jahre alten Gewächses, das eigentlich für den geplanten Neubau des Kreditinstituts samt Wohnungen und Gastronomie weichen sollte. Auch wegen des geballten Protestes legte die Bank ihre Pläne jetzt auf Eis. Die Frage ist, ob dem Deutschen Literaturarchiv (DLA) eine ähnliche Diskussion blüht. Das DLA möchte nämlich auf der Schillerhöhe erweitern, vor allem auf dem bisherigen Hallenbad-Gelände – das gespickt ist mit imposanten Bäumen.
Doch das ist nicht zu erwarten. Steffen Schmidt gibt Entwarnung. „Wir werden möglichst alle Bäume erhalten. Bei der Freimachung des Baufeldes wird sorgsam mit dem Altbaumbestand umgegangen“, versichert der stellvertretende Direktor und Verwaltungsleiter des DLA. Die Auslobung des Architektenwettbewerbs für den anvisierten Neubau sei zwar noch nicht veröffentlicht worden. Man sei im Hinblick auf die Planungsunterlagen noch in Abstimmung mit den Zuwendungsgebern, also Bund und Land, die das Projekt finanzieren. Bereits in den Auslobungsdokumenten des für 2025 angepeilten Architektenwettbewerbs werde aber explizit auf die Berücksichtigung des Baumbestands hingewiesen. „Somit sind die Architekturbüros verpflichtet, sich bei ihren einzureichenden Arbeiten danach auszurichten“, erklärt Schmidt.
Eichen sind Rückzugsraum für Insekten
Aussagen, die Andrea Lehning gerne hören wird. Denn der Vorsitzenden des BUND Marbach-Bottwartal und ihren Mitstreitern ist es wichtig, dass die Bäume rund um das Hallenbad nicht der Säge zum Opfer fallen. Insbesondere die drei Eichen im Bereich zwischen dem Rasenplatz des Turnerheims und dem vor dem Abriss stehenden Schwimmgebäude seien ökologisch sehr wertvoll. „Ganz viele Tierarten sind an die Eiche angepasst und finden dort Lebensraum und Nahrung“, erläutert Lehning. Käfer wie der Eichenheldbock entwickelten sich beispielsweise im Stamm. Juchtenkäfer siedelten sich ebenfalls an dieser Baumart an. Fledermäuse könnten sich an dem Nahrungsangebot laben oder sich in Ritzen zurückziehen. Außerdem sei die Eiche hitzeresistent und damit prädestiniert für die zunehmend heißeren Sommer. „Der Wurzelbereich geht zudem eine Symbiose mit Pilzen ein, sodass sie gegenseitig Nährstoffe austauschen und besonders gut wachsen“, sagt Lehning.
Dazu kommt, dass Eichen sehr alt werden können, man also nicht davon ausgehen muss, dass die Gewächse in wenigen Jahren eingehen. Die Stieleiche vor dem Hallenbad hat beispielsweise grob geschätzt schon mehr als 280 Jahre auf dem Buckel. Das lasse sich aus einer Formel ableiten, wonach man den Stammumfang von 3,55 Meter mit 0,8 multiplizieren müsse, erklärt Lehning.
Für BUND gibt es keinen Grund, vitale Bäume zu fällen
Den Standpunkt zu diesem Thema habe man dem DLA rückgespiegelt und besonders auf die ökologische Wertigkeit der Eichen als heimische Art hingewiesen. Lehning sähe aber auch keinen Grund, die vier Bäume auf der früheren Liegewiese des Hallenbads zu fällen, solange diese vital sind. Die BUND-Vorsitzende meint, dass es sich dabei um Ahornarten handele, die von Weitem mit Weiden verwechselt werden könnten.
Steffen Schmidt vom DLA hebt hervor, dass solche Appelle ernst genommen würden. „Wir waren bei allen von der Stadt Marbach organisierten Informationsveranstaltungen, Ideenworkshops und Bürgerspaziergängen dabei und konnten den Ideen, Anregungen und Sorgen der Bürgerschaft direkt begegnen. Wir haben die klare Botschaft mitgenommen, dass möglichst alle Bäume erhalten bleiben sollen“, erklärt er.