Der Neubau der Gotthard-Müller-Schule hat Richtfest gefeiert: Auf typische Klassenzimmer verzichtet das neue Schulgebäude – was ist stattdessen geplant?

Bernhausen - Wäre das neue Schulgebäude ganz normal gebaut worden, hätte es rund zehn Achsen. Darunter versteht man in der Architektur gedachte Geraden, die sich als Gestaltungsmittel durch Baukörper ziehen, etwa Horizontal- oder Vertikalachsen. Doch die neue Gemeinschaftsschule hinter der Filharmonie wurde nicht in Rechtecken geplant, sondern in organischen Formen. „Ich schätze, dadurch sind es zwischen 80 und 100 Achsen“, sagt Kyra Willems vom Architektenbüro Behnisch beim Richtfest. Das Konzept des neuen Schulareals habe die 29-jährige Architektin von Anfang an fasziniert: „Die Form ist wirklich etwas Besonderes: Rundum gibt es Balkone, die auch genutzt werden können und nicht nur als Fluchtweg dienen.“ Eine weitere Besonderheit sei die Dachterrasse, die an die Kunsträume im obersten Stockwerk angegliedert ist. „Ist das Wetter gut, kann unter freiem Himmel gezeichnet werden.“

 

Aus Fluren werden Lernstraßen

Neben den Fachräumen der Bildenden Kunst entstehen im dritten Obergeschoss die Bibliothek sowie zwei sogenannte Lernhäuser. Willems sagt: „Das Konzept sieht keine typischen Klassenzimmer vor, sondern zwei Klassenräume, die in der Mitte durch einen Gruppenraum verbunden sind – dort können die Schüler auch mal alleine in Ruhe etwas arbeiten.“ Weitere Lernhäuser sind im ersten und zweiten Obergeschoss. Enge Flure, in denen wegen des Brandschutzes nichts stehen darf, wird es dank der umlaufenden Balkone nicht geben. „Vielmehr dienen die Flure künftig als Lernstraße mit Nischen, in die man sich zurückziehen kann“, sagt die Architektin.

Das Farbkonzept des neuen Gebäudes in Gelb, Grün und Orange diene nicht nur als Designelement, sondern auch als Orientierungshilfe für die Schüler. „Orange steht für Grundschule, Grün für Gemeinschaftsschule und Gelb für Bereiche, die von beiden genutzt werden, wie zum Beispiel die Kunsträume“, verdeutlicht die Architektin. Im Erdgeschoss, das in neutralen Farben gehalten werde, sind Küche, Verwaltung, Fachräume sowie ein Technikraum untergebracht, zudem die Mensa, die gemeinsam mit der Fleinsbachschule genutzt wird. Die angegliederte Realschule wird im Zuge der Umgestaltung des Schulareals erweitert – unter anderem mit neuen Räumen für Inklusionskinder und den Ganztagsbetrieb.

Der Pausenhof ist einer antikgriechischen Idee nachempfunden

Einen besonderen Coup haben die Architekten mit dem Außenbereich für beide Schulen gelandet: „Gemeinsam mit unseren Landschaftsarchitekten haben wir die Agora, einen Pausenhof, der an ein Freilichttheater erinnert, gestaltet“, sagt Willems. Die Agora – im antiken Griechenland der zentrale Versammlungsplatz eines Ortes – reicht hinunter bis auf die Höhe des Untergeschosses des Fleinsbachschule. Barrierefreiheit gelte dank der Aufzüge auf allen Ebenen. „Man kommt problemlos rüber in den Neubau oder hoch in die Mensa.“

Während der Neubau entsteht, läuft im Altbau der Unterricht weiter. „In den nächsten Sommerferien soll der Umzug stattfinden, dann erfolgt der Abriss“, sagt Willems. Zum Schuljahr 2019/2020 soll alles fertig sein. Das bestätigt auch Bauleiter Alexander Baron vom Bauunternehmen Wolfer und Goebel: „Wir liegen gut im Zeitplan.“ Bis Anfang Dezember sollen beide Kräne ihren Dienst in Sachen Tiefbau getan haben.