Das Hotel Dachswald am Dachswaldweg 120 ist Vergangenheit. Die Strenger-Gruppe hat das Grundstück gekauft und baut dort 36 Eigentumswohnungen.

Stadtleben und Stadtkultur : Alexandra Kratz (atz)

Dachswald - Am 1. Oktober 1889 ist der Personenzug 223a vom Hauptbahnhof in Richtung Vaihingen unterwegs. Wie immer hilft eine Schiebelok, die Steigung zwischen dem Stuttgarter Talkessel und der Filderebene zu bewältigen. Normalerweise bleibt die Schiebelok am Westbahnhof zurück, von dort schafft der Personenzug den Anstieg allein. Doch an diesem Tag gerät die Bahn erneut ins Stocken, die Schiebelok muss abermals ran.

 

„Aber bevor sie den Personenzug erreicht, hat der es doch aus eigener Kraft den Berg hinauf geschafft und ist inzwischen mit 18 Minuten Verspätung in Vaihingen angekommen. Die Schiebelok ist zu diesem Zeitpunkt immer noch auf der damals eingleisigen Strecke unterwegs. Das Unglück ist nicht mehr zu verhindern. In einer unübersichtlichen Kurve im vorderen Dachswald prallen Personenzug und Schiebelokomotive zusammen. Zugführer, Heizer, ein Mädchen, zwei Frauen und drei Männer werden getötet, 43 Menschen liegen zum Teil schwer verletzt in den Trümmern.“ So steht es in dem Prospekt „Bildschöner Dachswald“, der anlässlich des 100-jährigen Bestehens des Dachswaldvereins im Jahr 2008 erschienen ist.

Aus der Kantine wird die Dachswaldwirtschaft

Weiter ist dort zu lesen: „So makaber es klingt, es ist die Geburtsstunde der späteren Dachswaldwirtschaft.“ Das Zugunglück hatte neugierig gemacht auf den Ort. „Und so kamen die Menschen weiterhin scharenweise aus dem Westen und aus Heslach herauf. Solchem Ansturm war die Kantine am Steinbruch nicht mehr gewachsen.“ Aus der Kantine wurde bald die Dachswaldwirtschaft. Dort soll es den besten Kräuterkäse von ganz Stuttgart gegeben haben, der Liter Most kostete 15 Pfennig.

„Der spätere Wirt, Hermann Wurst, setzte die Tradition fort, und seine Tochter Irmgard und ihr Mann Walter Lutz machten schließlich ein Hotel daraus“, ist in dem Prospekt zu lesen. Doch im Dezember 2014 machte das Hotel zu. Damals ging eine Ära zu Ende, was viele alteingesessene Dachswälder bedauerten. Die Strenger-Gruppe hat das Grundstück am Dachswaldweg 120 gekauft. Dort entsteht ein Mehrfamilienhaus mit 36 Wohnungen.

Strenger will im Oktober mit dem Bau beginnen

Bereits im Oktober möchte die Strenger-Gruppe mit dem Bau beginnen. Die Wohnungen sind zwischen 45 und 138 Quadratmeter groß und kosten zwischen 195 000 und 720 000 Euro. Der Quadratmeterpreis liegt damit zwischen 4800 und 5000 Euro pro Quadratmeter. „Sofern der kommende Winter den Bauablauf nicht verzögert, können Ende 2016 die ersten Bewohner einziehen“, sagt eine Sprecherin des Unternehmens auf Anfrage. Geplant sind drei Gebäude. Die beiden kleineren Häuser sind zur Straße hin ausgerichtet, das Haupthaus befindet sich dahinter. Es gibt eine gemeinsame Tiefgarage. Das Unternehmen bewirbt das Projekt im Internet mit blumigen Worten. Von der „Drehscheibe Dachswald – grün und doch zentral“ ist dort die Rede, vom „unverbaubaren Blick“ und von einer großzügigen Begrünung, welche „die Gebäude damit bestens vom ohnehin geringen Verkehr“ abschotte. Das Unternehmen hat Mitte Juli mit der Vermarktung begonnen. Seitdem sei bereits ein Drittel der Wohnungen verkauft worden, teilt das Ludwigsburger Unternehmen mit.

Bei den Dachswäldern sei der Neubau kein großes Thema, sagt Sigrid Beckmann. Die Vorsitzende des Bürgervereins Dachswald ergänzt: „Man wusste, dass das Grundstück verkauft ist und dass da was Neues hinkommt.“ Mit dem, was jetzt geplant sei, könne man gut leben. „Das ist überschaubar und fügt sich in die Bebauung ein“, sagt Beckmann. Nur dass es das Hotel Dachswald nach so langer Zeit nicht mehr gebe und nie mehr geben werde, das stimme manch einen im Stadtteil traurig.