Die Stadt Stuttgart sichert Breuninger eine enge Zusammenarbeit zu. Es gibt wohl mehr Handel als bisher im Quartier am Karlsplatz.

Regio Desk: Achim Wörner (wö)

Stuttgart - Die Einigung zwischen der neuen Landesregierung und der Firma Breuninger über die Neubebauung am Karlsplatz ist im Rathaus mit großer Erleichterung aufgenommen worden - auch wenn damit die von Oberbürgermeister Wolfgang Schuster forcierte Idee eines Neubaus für das Staatsministerium vom Land fallen gelassen wird, wie Mittwoch von der Regierungszentrale bestätigt wurde. "Schade, dass der Ministerpräsident nicht an den historischen Platz im Herzen der Stadt ziehen will. Wichtig ist aber, dass es jetzt am Karlsplatz weitergeht", sagte Schuster gegenüber der Stuttgarter Zeitung. Auch der Baubürgermeister Matthias Hahn betonte: "Ich bin froh, dass die Chance besteht, dass es weitergeht."

 

Jetzt, da Breuninger das ursprünglich gemeinsam mit dem Land geplante Großprojekt in eigener Regie verwirklichen wird, setzt die Stadt vor allem auf eine nachhaltige Belebung des vernachlässigten Stadtquartiers. "Wir wollen eine städtebauliche Neuordnung, mit einer belebten urbanen Qualität. Ich bin mir sicher, dass wir zusammen mit Breuninger den richtigen Maßstab für eine Bebauung finden werden. Dabei gehen wir davon aus, dass das Gebäude des ehemaligen Hotels Silber erhalten bleibt und die Baumassen sich an der historischen Umgebung orientieren", so Schuster, da die Stadt am Ende die Baugenehmigung erteilen muss. Mit Breuninger-Chef Willem G. van Agtmael sei eine enge und konstruktive Zusammenarbeit bei den weiteren Planungen vereinbart worden, sobald der Landtag die Ergebnisse der Verhandlungen bestätigt habe.

Anzahl der Ministerien noch unklar

Wie in einem Teil unserer Mittwochsausgabe bereits berichtet, wird Breuninger das Gebäude des Innenministeriums vom Land erwerben und in eigener Regie das Quartier am Karlsplatz mit Handel, Gastronomie, Hotel und Büros bebauen können. Das Land wird nicht, wie ursprünglich vereinbart, die Immobilie der Landesstiftung in eine gemeinsame Projektgesellschaft einbringen, sondern lediglich Büros anmieten. Auch soll im Kaufvertrag festgeschrieben werden, dass das ehemalige Hotel Silber erhalten bleibt. Der Finanzausschuss des Landtags wird sich am Donnerstag mit dem Verkauf beschäftigen.

Wie viele und welche Ministerien letztlich am Karlsplatz untergebracht werden, ist laut Finanzministerium noch nicht entschieden. Das Land sah sich jedoch offenbar im Gegenzug dafür, dass es aus dem Vorvertrag für ein Gemeinschaftsprojekt aussteigt, zu einer Anmietung verpflichtet - laut Finanzministerium geht es dabei um 20.000 Quadratmeter. Dies sind rund 10.000 weniger, als bisher für Ministerien vorgesehen waren, was den Rückschluss erlaubt, dass sich die Gewichte am Karlsplatz zu mehr Handel verschieben werden. Breuninger will sich erst kommende Woche zu Details äußern, wenn das Grundstücksgeschäft in trockenen Tüchern ist.

Jahrelanger Kampf um jeden Quadratmeter

Dass um die Neubebauung seit inzwischen fünf Jahren verhandelt und gerungen wird, war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass das Land auf 30.000 Quadratmeter für 1000 Bedienstete pochte. Da Breuninger seinen Standort aber vor allem durch Geschäfte, Gastronomie und ein Hotel aufwerten will, kam bei der Planung ein so massiges Bauvolumen heraus, dass Stadt und Gemeinderat dafür kein Baurecht geben wollten. Jahrelang wurde um jeden Quadratmeter gerungen, zuletzt war man bei 47.000 Quadratmetern angekommen.

Parallel dazu wurde der Ruf nach Erhalt des Hotels Silber, der ehemaligen Gestapozentrale, und einem Ausbau zu einer Gedenkstätte immer lauter. Mit dem Regierungswechsel im Land stand dann auch die politische Mehrheit dafür. Für das Gesamtprojekt bedeutete das nochmals 6000 Quadratmeter weniger, was Breuninger zuletzt die Wirtschaftlichkeit infrage stellen ließ.

Zukunft des Hotel Silbers?

Dass jetzt umgeplant werden muss, steht außer Frage. Zumal Breuninger im Erdgeschoss des Neubaus zum Karlsplatz hin mehr Einzelhandel ansiedeln will. Vom Architekturbüro Behnisch, das seinerzeit den Wettbewerb gewonnen hat, gibt es bereits alternative Planungsskizzen. Ob diese zum Tragen kommen, bleibt abzuwarten. Fest steht jedoch, dass man im Rathaus keine zweite Quadratmeterdebatte führen, sondern eine städtebaulich hochwertige Lösung erreichen will. "Wir wollen die richtige Dimension haben", so Matthias Hahn. Ein neuer Wettbewerb ist für den Baubürgermeister nicht zwingend, aber auch nicht ausgeschlossen.

Spannend bleibt auch die künftige Nutzung des Hotels Silber. Initiativen fordern, das ganze Gebäude für einen Lern- und Gedenkort zu nutzen, die SPD im Gemeinderat plädierte für 2000 Quadratmeter. In Regierungskreisen ist aber nur noch von der Hälfte die Rede, schließlich muss das Projekt auch finanziert werden. Das Finanzministerium soll dabei auch den Erlös für das Innenministerium im Auge haben.

Das Projekt "Da Vinci" - eine Chronik

Anfänge: Mitte 2007 ging der Breuninger-Chef Willem van Agtmael mit einer monatelang entwickelten Idee erstmals an die Öffentlichkeit. Unter dem Arbeitstitel „Da Vinci“ präsentierte er die Vision einer kompletten städtebaulichen Neuordnung des Quartiers zwischen dem Karlsplatz und dem Marktplatz, die van Agtmael zusammen mit Land und im Einvernehmen mit der Stadt realisieren wollte. „Ich muss an die Zukunft unseres Hauses denken“, sagte van Agtmael mit Blick auf die Aufwertung der Königstraße und alsbald ganz neue Geschäftsviertel beim Hauptbahnhof im Zuge von Stuttgart 21.

Pläne: Anstelle des bestehenden Innenministeriums, das Anfang kommenden Jahres sein neues Domizil an der Willy-Brandt-Straße bezieht, und des eigentlich für den Abriss frei gegebenen Hotels Silber sollte für eine dreistellige Millionensumme ein Komplex für Ministerien, ein Fünfsternehotel, Läden, Bars, Kneipen und Restaurants entstehen. Breuninger selbst, gegründet vor 130 Jahren, wollte sein Stammhaus um 35.000 Quadratmeter erweitern.

Debatte: Zwar wurde das Projekt auf politischer Ebene von Anfang an grundsätzlich begrüßt. Zugleich entbrannte aber eine Debatte über die Erhaltung des Hotels Silber, das in der Zeit des Nationalsozialismus als Gestapo-Zentrale gedient hatte – und über das Bauvolumen. Breuninger und das Land forderten 51.000 Quadratmeter Fläche, städtebaulich verträglich seien maximal 49.000, hieß es bei der Stadt. Am Ende sollten es 47.000 Quadratmeter werden. Die grün-rote Landesregierung entschied, dass das Hotel Silber nicht abgerissen wird.