Eine Bürgerinitiative lässt nicht locker und setzt die Stadt Waldenbuch in Sachen „Liebenau VII“ unter Druck. Es geht unter anderem um Hangrutschungen, seltene Tiere und eine Frischluftschneise.

Waldenbuch - Das Areal ist überschaubar. Auf einer Fläche von rund einem Hektar soll am Südhang zwischen der Schillerstraße und der Straße Am Waldrand in Waldenbuch ein kleines Neubaugebiet mit etwa 40 Wohneinheiten entstehen. Für die umliegenden Anwohner ist das Vorhaben gleichwohl eine große Sache. Sie befürchten, dass der Hang ins Rutschen kommt und warnen vor dem Verlust eines wertvollen Ökosystems. 27 Familien haben sich zu einer Bürgerinitiative zusammengeschlossen und möchten erreichen, dass das Gebiet „Liebenau VII“ aus dem Flächennutzungsplan herausgenommen wird.

 

Seit im Juli 2016 im Gemeinderat das geotechnische Gutachten über die Bodenbeschaffenheit der Hanggrundstücke diskutiert worden war, sehen sich die Bürger in der Defensive. „Wir wurden nicht informiert, sondern haben aus der Zeitung vom Stand der Dinge erfahren“, berichtet Habib Ben Messaoud, der die Aktivitäten koordiniert. Jens Turek, der von der Stadt beauftragte Gutachter, hatte dem Hang zwar die Neigung zu Rutsch- und Kriechbewegungen attestiert. Letztlich war er aber zu dem Schluss gekommen: „Wenn die entsprechenden Sicherungsmaßnahmen ergriffen werden, ist die Bebauung technisch möglich.“

Eine Hangrutschung im Jahr 1979 verursachte Kosten von 800 000 Mark

Die Anlieger wollten mehr wissen und hakten bei einem Termin im Rathaus nach. Auch Jens Turek war zugegen. Die Sorgen konnte er mit seinen Ausführungen jedoch nicht zerstreuen. Der Bergrutsch in Nürtingen-Zizishausen vom Juni 2016 hatte die Waldenbucher Nachbarschaft sensibilisiert. „Gefälle und Bodenbeschaffenheit der Grundstücke sind vergleichbar“, gibt Habib Ben Messaoud zu bedenken.

Hinzu kommt: Als 1979 gleich nebenan das Gebiet Am Waldrand erschlossen worden war, hatte es Rutschungen gegeben, die nur mit großem Aufwand wieder stabilisiert werden konnten. Hubert Rüdenauer, der ehemalige Hauptamtsleiter der Stadt und Mitglied der Bürgerinitiative, erinnert sich: „Es mussten Betonsporne mit bis zu acht Metern Tiefe eingebaut werden. Für die Stadt entstanden Mehrkosten von rund 800 000 Mark. Auch damals lag ein Gutachten vor, das grünes Licht für die Bebauung gegeben hatte.“

Die Mitglieder der Initiative würden die Ergebnisse der aktuellen Untersuchungen deshalb gern extern prüfen lassen. Die Stadtverwaltung gewährte im Büro der Ordnungsamtsleiterin zwar Einsicht in das geologische Gutachten, gibt die Unterlagen jedoch nicht aus der Hand. Bürgermeister Michael Lutz verweist darauf, dass die Gruppe „keine Rechtsgrundlage auf Herausgabe“ nennen könne.

Das Rathaus sagt, die Bürgerbeteiligung hat noch gar nicht begonnen

Den Ball wollen die Bürger nun an die Stadt zurückspielen. Jurist Bernd Rosendahl hat einen auf Baurecht spezialisierten Kollegen zurate gezogen und festgestellt: „Seit dem 1. Januar 2015 gibt es laut Umweltverwaltungsgesetz einen Anspruch auf Herausgabe des Gutachtens.“ Ein entsprechender Antrag sei bereits in Arbeit. Außerdem setzt man darauf, dass die von März bis August 2017 geplanten natur- und artenschutzrechtlichen Prüfungen untermauern, was für die Bürgerinitiative längst feststeht: „Das Gebiet ist als Frischluftschneise für die bestehenden Wohngebiete und als Lebensraum für Pflanzen und Tiere besonders wertvoll und hochsensibel“, betont Hubert Rüdenauer.

Im Waldenbucher Rathaus hat man die Argumente der Bürger zur Kenntnis genommen, bewerten möchte man sie im Moment nicht. „Dazu ist es einfach noch zu früh. Wir bewegen uns im Bereich der Voruntersuchungen, die zeigen sollen, ob es überhaupt sinnvoll ist, in ein Bebauungsplanverfahren einzusteigen“, erklärt Katharina Jacob, die Leiterin des Ordnungsamts, auf Anfrage unserer Zeitung. Erst wenn der Aufstellungsbeschluss gefasst sei, beginne die offizielle Bürgerbeteiligung. Dazu gehöre auch eine umfassende Akteneinsicht. „Alle Unterlagen können dann auf der Homepage der Stadt eingesehen werden“, stellt Katharina Jacob in Aussicht.

So lange wollen die Anwohner des Baugebiets „Liebenau VII“ nicht warten. „Die Stadt soll sich weiterentwickeln, aber dort, wo die Natur nicht vergewaltigt wird“, sagt Karlheinz Roth von der Bürgerinitiative. Getreu dem Motto „Wehret den Anfängen“ wolle man deshalb aktiv bleiben, bevor Fakten geschaffen werden. Denn auch im Hinblick auf die dringend benötigte Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sei das Gebiet nicht geeignet. „Durch die erforderlichen Sicherungsmaßnahmen am Hang wird die Erschließung so teuer, dass die Bebauung wohl keine Alternative für Normalverdiener mehr darstellt.“