Die Verspätung bei der Neubaustrecke stößt auch bei Stuttgart-21-Befürwortern auf Kritik – und Verkehrsminister Hermann stellt sich gegen die Salamitaktik der Bahn.

Stuttgart - Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Peter Hauk, übt scharfe Kritik an der Informationspolitik der Deutschen Bahn. „Dass man die Bahn unter Beobachtung stellen muss, ist nicht neu“, sagte Hauk am Montag auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung, „aber jetzt muss Schluss sein. Wir fordern, dass alle Partner an einem Strang ziehen. Auch die Bahn ist gehalten, ihren Teil des Vertrages zu erfüllen.“ Das Prinzip der Vertragstreue gelte nicht nur für das Land.

 

Mit diesen harschen Sätzen reagierte Hauk auf ein internes Dossier des Staatskonzerns, über das die Stuttgarter Zeitung am Samstag berichtet hatte. Aus dem Papier geht hervor, dass die Bahn erst im Jahre 2021 mit der Fertigstellung der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm rechnet. Das wäre ein Jahr später, als die Bahn-Spitze bisher angegeben hat. Erst im März hatte der Technikvorstand der Bahn, Volker Kefer, eingeräumt, dass sich die Fertigstellung des Gesamtprojektes Stuttgart–Ulm verschieben werde – allerdings lediglich um ein Jahr auf Ende 2020.

Drexler ist irritiert

Dass es nun noch einmal ein Jahr später sein soll, „darüber sind wir schon etwas ungehalten“, sagte Peter Hauk. Immerhin sei jede weitere Verzögerung mit Kosten verbunden. Das Land finanziert die Neubaustrecke mit 950 Millionen Euro, der Bund ist mit 1,94 Milliarden beteiligt. Auch der frühere S-21-Projektsprecher Wolfgang Drexler (SPD) zeigte sich irritiert von der neuen Situation. Offiziell seien ihm bis jetzt keine Verzögerungen beim Bau der Neubaustrecke bekannt, so der Vizepräsident des Landtags. „Wenn es aber Probleme gibt, dann wollen wir umgehend davon unterrichtet werden“, sagte Drexler und kündigte an, dass auch die SPD-Landtagsfraktion entsprechende Erkundigungen einziehen werde.

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) äußerte sich zurückhaltender. „Alle Projektbeteiligten streben weiterhin eine gemeinsame Inbetriebnahme der Neubaustrecke Wendlingen–Ulm mit dem Vorhaben Stuttgart 21 an. Nach Kenntnis des Bundes plant der Vorhabenträger eine Inbetriebnahme Ende 2020“, sagte sein Sprecher. Auch der Bahnvorstand Kefer widersprach am Montag bei einer Veranstaltung der „Stuttgarter Nachrichten“ dem Papier aus dem eigenen Haus. Die Bahn halte an dem Fertigstellungstermin Ende 2020 fest. Das Papier sei nur „ein Zwischenstand“ in der Diskussion mit dem Bund.

Kritiker sehen sich bestätigt

Erwartungsgemäß einig waren sich hingegen die Grünen in Bund, Land und Stadt Stuttgart. „Der Konzern setzt leider seine unselige Politik fort, vieles zu verschweigen und nur zuzugeben, was nicht mehr zu leugnen ist“, sagte der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des Bundestags, Anton Hofreiter. Das interne Bahnpapier beweise, dass die bisher versprochenen Fertigstellungstermine utopisch seien. „Das Dossier gibt allen Kritikern recht, die schon lange eine teure und folgenschwere Verzögerung des Gesamtprojekts erwarten“, sagte Hofreiter. Nach seiner Einschätzung, die angesehene Experten teilten, werde die Strecke wegen der Baurisiken und Finanzierungsprobleme nicht vor dem Jahr 2025 fertig sein. Damit werde auch der Bahnknoten Stuttgart 21 erst sechs Jahre später in Betrieb gehen können als noch zur Volksabstimmung versprochen.

Landesverkehrsminister Winfried Hermann forderte derweil Aufklärung in der Sache. Es sei „angesichts der großen Summen, die das Land in dieses Projekt investiert, nicht hinnehmbar, dass die Fakten nur scheibchenweise auf den Tisch kommen“, sagte der Grünen-Politiker. Dessen Parteifreund Peter Pätzold stieß ins gleiche Horn. Die Landeshauptstadt „hat jedes Recht darauf, zu wissen, woran sie mit der Baustelle ihres Partners im Herzen der Stadt ist“, sagte der Fraktionschef der Grünen im Gemeinderat. Aus seiner Sicht zeige sich auch klar, „dass nicht die Gegner für den Verzug der Fertigstellung von Stuttgart 21 verantwortlich sind“. Tatsache sei vielmehr, dass die Bahn mit ihren Aufgaben nicht hinterherkomme.