Bei Stuttgart 21 läuft es nicht rund. Alles wird teurer und dauert länger. Die damit verbundene Neubaustrecke nach Ulm entwickelt sich ungleich besser. Jetzt können dort sogar die ersten Schienen verlegt werden. Fährt vielleicht doch schon 2021 ein Zug?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Ulm/Merklingen - Zwischen Temmenhausen und dem Tunnelportal bei Dornstadt (Alb-Donau-Kreis) hebt ein Autokran Betonquader von einem Lastwagen. An der Böschung neben der Trasse, auf der einmal Züge mit Tempo 250 vorbeirauschen sollen, legen Bauarbeiter eine Rettungstreppe an. „Das wurde nachbestellt“, sagt Stefan Kielbassa. Eigentlich ist der 59-Jährige, der beim Neubauprojekt Stuttgart–Ulm der Bahn für den Bereich auf der Albhochfläche und den Albabstieg verantwortlich ist, mit solchen Arbeiten durch. „Am 3. Dezember ist schon Übergabe“, sagt er. Dann sind die Ausstatter dran, die auf dem 28 Kilometer langen Abschnitt Oberleitungen ziehen, Schienen verlegen und die Bahntechnik installieren. 31 Minuten, halb so lang wie bisher, soll die Fahrt im ICE von Ulm nach Stuttgart einmal dauern. Die ersten sieben Minuten sind im Rohbau fertig.

 

Wenigstens ein Abschnitt ist im Zeitplan

Seit zehn Jahren beschäftigt sich der Projektleiter mit der Neubaustrecke, seit sieben Jahren wird gebaut. Jetzt ist es eine Punktlandung. Etliche Kollegen im Projektbüro Stuttgart–Ulm dürften ihn beneiden. Beim Albvorlandtunnel bei Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen) sind die Arbeiten schon jetzt wegen Artenschutzproblemen ein Jahr in Verzug. Die gesamte Neubaustrecke zwischen Wendlingen und Ulm geht dadurch frühestens Ende 2022 in Betrieb. Am Stuttgarter Hauptbahnhof wird noch länger gebaut. „Ich wollte mit den Stuttgarter Kollegen nie tauschen“, bekennt Kielbassa – nicht zuletzt wegen der Atmosphäre. „Ich habe mich hier immer willkommen gefühlt.“

Dabei gab es durchaus Probleme zu bewältigen. Die Fluchttreppe war nicht der einzige nachträgliche Wunsch. Die größte Nachbestellung sei der 43 Millionen Euro teure Regionalbahnhof in Merklingen gewesen. Erst spät, als die Arbeiten an der Strecke schon zwei Jahre liefen, seien die Gemeinden auf der Albhochfläche auf den Zug aufgesprungen. „Hätte die Sache ein halbes Jahr länger gedauert, hätte ich es nicht mehr verantworten können“, sagt der Bauingenieur.

Statt fünf Jahren blieben ihm nur zwölf Monate zur Planung. Jetzt läuft alles nach Wunsch. Zum 30. Juni seien die Rohbauten für die zwei Ausweichgleise fertig. Ob sich der von den Gemeinden geäußerte Wunsch realisieren lasse, vorab zwischen Merklingen und Ulm einen Nahverkehrszug pendeln zu lassen, wisse er nicht, sagt Kielbassa. An ihm, seinem 40-köpfigen Team und den Baufirmen würde es jedenfalls nicht scheitern. Sein Abschnitt sei 2021 fertig.

Ulm baut eine Straßenbahn über die Neubaustrecke

Auch in Ulm, wo der sechs Kilometer lange Albabstiegstunnel kurz vor dem Hauptbahnhof endet, sah sich Kielbassa mit einem späten Wunsch konfrontiert. Dort war es die Stadt, die direkt vor dem Tunnelportal eine Straßenbahnbrücke über die Bahnanlage bauen wollte. Auf der Albhochfläche hatte der parallele Bau von Autobahn und Bahnstrecke immer wieder zu Komplikationen und Herausforderungen geführt. Nun warnten Kollegen Kielbassas, sich nicht auch noch diese Parallelbaustelle aufhalsen zu lassen.

Vor wenigen Wochen wurde die in Form einer Donauwelle geschwungene Brücke eingeweiht. Vor dem Portal läuft der Bahnverkehr künftig dreistöckig: oben die Straßenbahn, in der Mitte die Gleise der Brenzbahn aus Aalen, unten werden die ICE-Schienen verlegt, die aus dem Tunnel durch einen Trog zum Ulmer Bahnhof führen. „Es war kompliziert“, sagt Kielbassa. „Aber wenn ich gleich nein gesagt hätte, hätte ich hier keine Freunde mehr gehabt.“

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