Auf den ersten Blick ist es eine gute Nachricht, die Projektsprecher Wolfgang Dietrich verkündet hat. Bei der Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm liege man unter dem Budget und könnte früher fertig werden als geplant. Die Prognose scheint gewagt.

Stuttgart - Auf den ersten Blick ist es eine gute Nachricht, die Wolfgang Dietrich in Ulm verkündet hat. Der dort erscheinenden Zeitung „Südwest Presse“ erklärte der Sprecher des Bahnprojekts Stuttgart–Ulm: „Wir liegen gut zehn Prozent unter Budget.“ Und man komme schneller voran als geplant. Dietrich bezieht sich dabei auf die Neubaustrecke von Wendlingen nach Ulm. Bei gutem Bauverlauf könne man ein Jahr früher fertig sein, sagt der Projektsprecher.

 

Bei näherer Betrachtung erscheint Dietrichs Prognose freilich gewagt. Einerseits sind zwei Abschnitte der Neubaustrecke noch nicht einmal planfestgestellt – der Albvorlandtunnel bei Kirchheim/Teck und die Zuführung zum Ulmer Bahnhof. Andererseits haben die Tunnelbauer auf der Schwäbischen Alb auch dort, wo sie bereits begonnen haben, den größten Teil ihrer Arbeit noch vor sich. Beim 4847 Meter lange Steinbühltunnel wurde vor knapp drei Wochen die Tausendmetermarke überschritten. Wie sich beispielsweise größere Hohlräume im Gestein auf den Zeitplan auswirken, kann zum jetzigen Zeitpunkt noch niemand seriös prognostizieren.

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„Unsere Einschätzung ist derzeit natürlich noch Spekulation“, schränkt Wolfgang Dietrich auf Anfrage der Stuttgarter Zeitung denn auch ein. Trotzdem bleibt er dabei – und betont zudem: „Eine Teilinbetriebnahme kommt nicht in Frage. Am Termin für das Gesamtprojekt wird sich nichts ändern.“ Im Klartext: wäre die Trasse über die Schwäbische Alb vor dem Tiefbahnhof im Stuttgarter Kessel fertig, würde diese brach liegen, bis das Projekt Stuttgart-Ulm im Ganzen vollendet wird. Eine Sprecherin des Kommunikationsbüros ergänzt dazu, dass man bei der Bahn froh darüber sei, siebeneinhalb Jahre vor der geplanten Inbetriebnahme im Dezember 2021 in einer so komfortablen Situation zu sein. Der Terminpuffer sei „eine zusätzliche Sicherheit“.

Verkehrsclub: Es ist gut, wenn die Strecke früher fertig wird

Was die Sprecherin nicht erklärt: Im Planfeststellungsabschnitt 1.3, der die Anbindung des Flughafens an die Neubaustrecke enthält und ebenfalls noch weit entfernt von einer Genehmigung ist, befindet sich die Bahn nach eigener Aussage „auf einem kritischen Pfad“. Übersetzt heißt das: Das Projekt, das laut Bahn nur ganz in Betrieb geht, könnte möglicherweise auch  später als geplant eingeweiht werden. Aus kaufmännischer Vorsicht hat die Bahn   diesen Fall mit einer Wahrscheinlichkeit von achtzig Prozent versehen.

Die neuen Einschätzungen der Bahn „beziehen sich auf die erfolgten Vergaben sowie auf die Chancen- und Risikobewertung“, erklärt die Sprecherin des Kommunikationsbüros. Derzeit seien rund zwei Drittel der Vergaben für die Neubaustrecke erfolgt. Die Bahn veranschlagt die Neubaustrecke mit Kosten von 3,26 Milliarden Euro, 950 Millionen davon trägt das Land Baden-Württemberg.

Aus Sicht des Verkehrsclubs Deutschland (VCD) wäre es falsch, die Neubaustrecke brach liegen zu lassen, um auf den Tiefbahnhof zu warten. Der VCD-Landesvorsitzende Matthias Lieb erklärt auf StZ-Anfrage: „Es ist gut, wenn die Strecke früher fertig wird. Sie muss dann in Wendlingen an den Gleisbestand angeschlossen werden.“ Allein durch die Neubaustrecke würden 15 Minuten Fahrzeit zwischen Stuttgart und Ulm eingespart. „Mit der Inbetriebnahme der Strecke zu warten, wäre eine Verschwendung von Steuermitteln“, sagt Lieb.

Eine Einschätzung vom Projektpartner Land zu den Aussagen von Wolfgang Dietrich ist derzeit nicht zu bekommen. Verkehrsminister Winfried Hermann befindet sich auf Dienstreise in Japan. Der Pressesprecher des Ministeriums, Edgar Neumann, erklärt aus Tokio: „Wir haben von den neuen Einschätzungen von Herrn Dietrich gehört. Uns liegen dazu jedoch keinerlei Unterlagen der Bahn vor.“

Erschütterungsgutachten liegt aus

Einwendungen Zum Planfeststellungsabschnitt 1.3 auf den Fildern mit dem Flughafenbahnhof liegt von Montag, 3. März, an im Rathaus Echterdingen das Erschütterungsgutachten für die bestehende S-Bahnstrecke durch Leinfelden-Echterdingen für einen Monat aus. Das geht aus einer Mitteilung der Stadt hervor. Stellungnahmen seien wie üblich bis zwei Wochen nach Auslegungsende möglich.

Planfeststellung Auch die Unterlagen zum gesamten Planfeststellungsverfahren werden im Echterdinger Rathaus nochmals ausgelegt. Dazu sind allerdings keine Stellungnahmen mehr möglich, da dieses Verfahren bereits abgeschlossen ist.

Fehlendes Gutachten Das Fehlen eines Erschütterungsgutachtens war im Auslegungsverfahren von verschiedener Seite, auch von der Stadt Leinfelden-Echterdingen, gerügt worden, heißt es in der Mitteilung der Stadt.

Fristen Das Gutachten liegt bis einschließlich Mittwoch, 2. April, im Rathaus Echterdingen, Bernhäuser Straße 11, während der üblichen Dienstzeiten aus. Einwendungen gegen die Planung können bis Mittwoch, 16. April, abgegeben werden