Die Neubaustrecke könnte auch ohne unterirdischen Bahnhof funktionieren, sagt Ramsauer. Heiner Geißler hält den Stressttest für entscheidend.

Stuttgart - Neue Wortmeldung in Sachen Tiefbahnhof: die Schnellbahnstrecke zwischen Stuttgart und Ulm ließe sich auch ohne einen unterirdischen Stuttgarter Bahnhof verwirklichen. Das hat Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) im Interview mit "Spiegel Online" erklärt. "Wendlingen-Ulm kann unabhängig von Stuttgart 21 gebaut werden. Voraussetzung ist aber, dass das Land zu seiner Finanzierungszusage von 950 Millionen Euro steht", sagte Ramsauer in dem am Sonntag verbreiteten Interview. Ramsauer betonte weiter, dass man nur dann mit dem Bau schon vor 2016 beginnen könne: "Sonst müssten wir die wirtschaftliche Situation neu bewerten. Wenn der Bau der Strecke auch dann wirtschaftlich ist, könnte man ebenfalls loslegen."

 

Unmittelbar nach der Wahl hatte Ramsauer mit dem Aus für die ICE-Trasse gedroht: Sollte die neue Regierung zu dem Schluss kommen, bestimmte Großprojekte nicht weiterzuverfolgen, würden die dafür vom Bund bereitgestellten Mittel nach dem Länderschlüssel umverteilt. "Wenn andere Länder schneller wissen, was sie wollen", seien diese am Zug, hatte der CSU-Minister verlauten lassen.

Schmiedel weist Äußerungen zurück

Der baden-württembergische SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel wies laut der Nachrichtenagentur dpa die neuen Äußerungen Ramsauers als Unsinn zurück. Eine Finanzierung des Landes allein für die Schnellbahntrasse werde es nicht geben. "Sonst stehen die Züge in Wendlingen und kommen nicht zum Hauptbahnhof." Solche Debatten seien aber sowieso verfrüht, da ohne den anstehenden Stresstest der Bahn keine vernünftigen Entscheidungen gefällt werden könnten. "Bis dahin sollten alle Beteiligten einfach mal den Schnabel halten." Es sei alles andere als sinnvoll, die Debatte jeden Tag mit neuen Spekulationen zu befeuern.

Ramsauer hatte im "Spiegel"-Gespräch auch mit Schadenersatzforderungen gedroht, sollte die designierte grün-rote Landesregierung aus dem Projekt Stuttgart21 aussteigen. "Die Bahn muss sich wie ein Wirtschaftsunternehmen verhalten und ihre Ansprüche aus den Verträgen wahren", sagte er in dem Interview. Darauf lege er auch als Bundesverkehrsminister Wert - im Interesse des Steuerzahlers. Jeder, der Verträge breche, müsse sich aller Konsequenzen klar sein. Ramsauer: "Das ist keine Drohung, nur der Hinweis auf die rechtliche Lage." Er rate dem neuen Ministerpräsidenten, "seine eigene Rechtsposition noch einmal genau durchleuchten zu lassen".

Geißler: Stresstest ist entscheidend

Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Renate Künast, erklärte in der "Welt am Sonntag", ihre Partei mache eine Volksabstimmung über Stuttgart 21 vom Ausgang des Stresstests abhängig. "Winfried Kretschmann hat erst vor wenigen Tagen gesagt, dass erst durch den Stresstest beantwortet werden muss, ob der geplante Tiefbahnhof eine 30 Prozent höhere Kapazität als der bisherige Kopfbahnhof bringt, was wir bezweifeln."

Der Schlichter Heiner Geißler assistierte: "Wenn der Stresstest ergibt, dass das Projekt zu teuer ist, dann wäre es tot", sagte er laut "Spiegel": "Was soll man da noch über eine Leiche abstimmen lassen?"

Schmid besteht auf Volksentscheid

Künast stellte sich mit ihrer Aussage gegen den künftigen Stuttgarter Koalitionspartner SPD, der in jedem Falle das Volk entscheiden lassen will. Erst am Freitag hatte Spitzenkandidat Nils Schmid, der gegenwärtig mit Kretschmann über die grün-rote Koalition verhandelt, gesagt: "Es wird keinen Koalitionsvertrag ohne eine Volksabstimmung zu Stuttgart 21 geben.

"Was mit dem Bahnhof passiert, wenn sich die neue Regierung oder das Volk in einer Befragung gegen Stuttgart 21 entscheidet, ist für Peter Ramsauer völlig offen: "Es gibt keine genehmigte Alternative, die man sofort als Plan B aus der Schublade ziehen könnte", sagte er in dem Interview. K21, die Modernisierung des alten Kopfbahnhofs, sei "ein Phantom". Es gebe keine konkreten Planungen, geschweige denn Baurecht: "Der Umbau des Bahnhofs würde sich um Jahre verzögern. Stuttgart droht dann Stillstand."