Neue Ausrichtung der Grünen Risikoprojekt Schwarz-Grün
Die Grünen stellen sich neu auf – und träumen mal wieder von Schwarz-Grün. Doch die alte Idee stellt die Partei nun vor neue Herausforderungen, meint Hauptstadtkorrespondentin Rebekka Wiese.
Die Grünen stellen sich neu auf – und träumen mal wieder von Schwarz-Grün. Doch die alte Idee stellt die Partei nun vor neue Herausforderungen, meint Hauptstadtkorrespondentin Rebekka Wiese.
Da ist plötzlich ein anderer Sound. Man kennt ihn, aber so laut war er lange nicht mehr. Zum Beispiel, als die Grünen-Bundestagsabgeordneten Franziska Brantner und Felix Banaszak ihre Kandidatur für den Parteivorsitz verkündeten. Welcher der Parteiströmungen sie sich verpflichtet fühle, wollte ein Journalist von Brantner wissen. Sie antwortete, ohne zu zögern: „Der Partei Bündnis 90/Die Grünen und diesem Land Bundesrepublik Deutschland.“ Staatstragender hätte auch Friedrich Merz nicht klingen können.
Es ist der Sound von Schwarz-Grün, den man da bei den Grünen hört. Der mächtigste Mann der Partei, Wirtschaftsminister, Vize-Kanzler und Ziemlich-sicher-bald-Kanzlerkandidat Robert Habeck, hält schon lange viel davon. Und wenn Brantner und Banaszak Bundesvorsitzende werden, stehen mit ihnen zwei Politiker an der Spitze der Partei, die in vielem unterschiedlich sein mögen. In ihrem Glauben an Schwarz-Grün aber sind sie geeint. Was kein Zufall ist: Brantner kommt aus Baden-Württemberg, Banaszak aus Nordrhein-Westfalen – zwei Bundesländer, in denen Grüne und CDU zusammen regieren.
Nach langer Orientierungslosigkeit in drei meist quälenden Ampel-Jahren zeichnet sich nun erstmals wieder ab, wohin die Partei will. Das ist grundsätzlich nie verkehrt. Sie sollte sich aber bewusst machen, dass eine Richtung noch keine Strategie und erst recht keine Erfolgsgarantie ist. Mehr noch: Sich zu sehr auf Schwarz-Grün auszurichten, birgt für die Partei eine Reihe an Risiken, die die Grünen in ihrer Euphorie des Neustarts zu übersehen drohen.
Da ist zum einen die Sache mit der Union, die zu Schwarz-Grün ja nun mal dazugehört – und die sich gerade wenig interessiert zeigt. Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen CDU-Parteichef Merz die Grünen als „Hauptgegner“ bezeichnete. Zum Lieblingspartner reicht es aber noch lange nicht. Noch klarer ist der CSU-Vorsitzende Markus Söder. „Mit uns gibt es kein Schwarz-Grün“, sagte er kürzlich noch. Zwar ist Söder nicht als Mann bekannt, der zu seinem Wort steht. Eine günstige Ausgangslage ist es in jedem Fall nicht.
Dann ist da noch die Parteilinke. Die ist nicht mal grundsätzlich gegen Schwarz-Grün. Vor allem Grüne aus Ländern, in denen ihre Partei mal mit der CDU reagiert hat, halten oft viel davon. Doch im Bund gab es das Modell noch nie. Dabei ist die Idee, die Partei weiter in die Mitte zu holen, nicht neu. Es war der Kurs, für den Robert Habeck und Annalena Baerbock als Bundesvorsitzende standen. Unter ihnen erlebten die Grünen eine goldene Zeit. Seitdem glauben viele, dass hier ein sicheres Erfolgsrezept liege.
Doch die Realität von heute ist eine ganz andere als die von damals. Und die Mitte auch. Sie lag vor fünf Jahren so weit links wie vielleicht nie zuvor. Das machte es den Grünen leicht, mittig zu sein. Inzwischen hat sich die Gegenbewegung vollzogen. Jetzt sehen sich die Grünen einer Mitte – und einer Union – gegenüber, die sich weit nach rechts verschoben hat. Wenn sie dieser Bewegung folgen, was bleibt dann von ihrem Profil? Es ist eine Frage, die das linke Lager vor sehr grundsätzliche Probleme stellt – und damit die ganze Partei.
Schwarz-Grün im Bund ist für viele in der Partei so etwas wie ein unerfülltes Versprechen: das große Bündnis, das die Gräben überwinden, die Gesellschaft zusammenbringen soll. Doch funktioniert das in dieser parteipolitischen Wirklichkeit noch? Und wenn ja, wie? Das muss sich jetzt besonders Habeck fragen, der nun unumstrittenes Machtzentrum der Partei ist. Auf Kurs sind die Grünen noch lange nicht. Viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr. Bis zur Bundestagswahl ist es jetzt weniger als ein Jahr.