Der Hannes-Burgdorf-Preis wird alle drei Jahre im Galerieverein Leonberg verliehen. Dieses Mal geht er an Clemens Schneider, dessen Ausstellung „Talking Paper“ am Sonntag eröffnet wird.

Betritt der Besucher den Galerieverein, empfangen ihn sanfte Klänge mit einer beruhigenden Wirkung. Sie kommen von einer Papierarbeit. Der Künstler Clemens Schneider ist gerade dabei, seine Werke in den Räumlichkeiten zu hängen. Man staunt nicht schlecht, wenn er erklärt, dass die Geräusche ursprünglich von einer Baustelle kommen, bei der etwas abgerissen und wieder aufgebaut wurde. An der Baustelle habe er eine Tonaufnahme gemacht, und mit einem Saiteninstrument, das er selbst konstruiert hat, habe er die Geräusche bearbeitet und verfremdet. Da wundert es nicht, dass er seine Arbeiten „Talking Paper“, sprechendes Papier, nennt.

 

Handgeschöpftes Papier aus Altkleidern

Schneiders Kunstwerke bestehen aus handgeschöpftem Hadernpapier, das er selbst aus Alttextilien herstellt. Es besteht aus zwei Lagen, sodass ihm der Künstler elektrische Leitungen und Piezokristalle hinzufügen kann. Sie werden beim Schöpfen des Papiers eingearbeitet und haben schon dadurch für den Betrachter eine besondere Wirkung. „Es war mir wichtig, dass dies nicht als Fremdkörper wahrgenommen wird,“ betont Clemens Schneider. Die Piezokristalle regieren auf elektrische Wechselspannung, in dem sie mit der Frequenz der Spannung schwingen. „Sie klingen nur, weil das Papier schwingt“, so der Künstler.

„Die Technik kannte ich schon, und dann kam eins zum anderen“, sagt Clemens Schneider, der sein Atelier im Stuttgarter Leonhardsviertel hat, über den Ursprung des „Talking Paper“. Mit den Klängen arbeitet er bereits seit 2018, aber dann lag das Ganze in seinem „Corona-Archiv“. Vergangenes Jahr habe er sie dann zu einer Ausstellung herausgeholt. Dabei sei ihm das Thema Klang nicht neu. „Früher habe ich schon Klanginstallationen gemacht – aber ganz anders“, erzählt Schneider und fügt verschmitzt lachend hinzu: „Nicht so harmonisch.“

Weiß kommt von T-Shirts, Blau von Jeans

Im oberen Stockwerk des Galerievereins hat Schneider eine Arbeit untergebracht, die sich etwa über Hälfte der Wandfläche erstreckt. Ein eindrucksvolles Kunstwerk. Allerdings gibt Schneider zu bedenken: „So ein großes Werk ist schwer verkäuflich.“ Geht man etwas näher heran, sieht man die Textur. Dort, wo das Hadernpapier nur aus einer Lage besteht, sind - wie bei den anderen Werken, die er ausstellt - Löcher entstanden. „Diese Aussparungen sind wie ein freies Wasserzeichen“, sagt der Künstler.

Bei der großformatigen Arbeit fällt einem zudem ein Farbverlauf auf. Zunächst ist das Papier eher weiß und bekommt dann einen bläulichen Ton. „Die blaue Farbe stammt von Jeanshosen, die weiße von T-Shirts und Wäsche“, ist von Clemens Schneider zu erfahren. Die Arbeiten, die im Galerieverein zu sehen sind, könne man unter das Motto „Von der Handwerkstechnik zur Digitaltechnik“ stellen, meint Schneider – obwohl man die Digitaltechnik nicht sehe.

Dass er diese besondere Technik entwickeln konnte, hat auch mit seiner außergewöhnlichen Neugier als Kind zu tun. „Ich habe früher schon die Schule geschwänzt und stattdessen Geräte zerlegt“, erzählt er lachend. So hat er die verschiedenen Elemente und ihre Wirkungsweisen kennengelernt.

Auszeichnung ist große finanzielle Unterstützung

Genau gegenüber dem Eingang hat der Künstler übrigens eine großformatige Arbeit aufgehängt, die sich von den anderen unterscheidet. „Es ist das gleiche Papier, aber gepresst und enthält zeichnerische Elemente aus Kohle und Kreisen“, sagt der Stuttgarter.

Dass das Leben als Künstler nicht einfach ist, bestätigt Clemens Schneider. Der gelernte Steinmetz verdient seinen Lebensunterhalt auch immer wieder mit Handwerksarbeiten. Umso mehr freut ihn, dass er jetzt den mit 10 000 Euro dotierten Hannes-Burgdorf-Preis bekommt. Er kann sich dadurch nicht nur auf seine Arbeit als Künstler konzentrieren. „Durch den Preis kann ich noch zwei große Ausstellungen machen“, ist von ihm zu erfahren.

Der von dem Unternehmer Hannes Burgdorf gestiftete und gemeinsam mit dem Galerieverein und der Stadt Leonberg ins Leben gerufene Kunstpreis ist für Künstler gedacht, die bereits Anerkennung gefunden haben, ihre Karriere aber noch vor sich haben und deren Entwicklung man unterstützen möchte, sagt Katja Rohloff vom Kulturamt in Leonberg. „Eine Soloausstellung bewirkt ja auch etwas. Und der Preis ist mit 10 000 Euro hoch dotiert“, darauf weist Rohloff hin. Zudem sponsert Hannes Burgdorf den Katalog zur Ausstellung mit 5000 Euro.

Bei der Kunst bleiben oder nicht?

Wer den Preis bekommt, entscheidet eine Jury. Zu ihr gehören der Stifter des Preises, Hannes Burgdorf, die Vorsitzende des Galerievereins, Eva Ott, Katja Rohloff als Mitglied des Kulturamtes Leonberg, außerdem die Direktorin der Staatsgalerie, Christiane Lange, und der Künstler Camill Leberer. Jedes Jurymitglied schlägt ein oder zwei Künstler vor, die in Frage kommen.

„Ich kenne viele Künstler und weiß, dass es ihnen nicht gut geht,“ erzählt Hannes Burgdorf. Der Unternehmer beschäftigt sich schon seit Langem mit moderner Kunst und sammelt seit seinem Studium. Der von ihm gestiftete Preis sei für Künstlerinnen und Künstler zwischen 30 und 40 Jahren gedacht, sagt Burgdorf. „Da geht es dann darum, ob sie bei der Kunst bleiben oder nicht.“

Der Hannes-Burgdorf-Preis wird 2023 zum vierten Mal vergeben. Clemens Schneider bekommt den Preis im Galerieverein Leonberg am Sonntag, 12. März. Die Ausstellung anlässlich der Preisverleihung öffnet um 11.15 Uhr.