Im Stadtmuseum dreht sich alles um den Wandel im Handel. Der Schwerpunkt der zweiten großen Schau dieses Jahres sind Spielzeug-Kaufläden. Auch Bürger haben dafür altes Spielzeug vom Dachboden geholt.

Gerlingen - „Nudeln“, „Linsen“ und „Gries“ auf der einen, „Gewürz“, „Corinthen“, „Chocolade“ und „Candis“ auf der anderen Seite – so sind die Schubladen im Regal beschriftet. Auf der Verkaufstheke davor thront eine Waage mit zwei Schalen, für Mehl oder Zwiebeln in der einen und die Gewichtssteine in der anderen. Auf dem Boden stehen ein Fass und ein Bottich mit Gemüse. Hinter dem Regal lugt eine Frau hervor – eine Puppe in Kleidern der Jahrhundertwende. Dieser Kaufladen ist einer von rund 40, die im Gerlinger Stadtmuseum auf staunende Besucher warten. Es gibt Wertvolles hinter Glas, aber auch einen Kaufladen zum Reinstehen: Kinder dürfen damit spielen. Die neue Ausstellung „Handel im Wandel“ veranschaulicht, wie sich das Einkaufen verändert hat. Nicht nur das zum Spielen, sondern auch real.

 

Dieser Begriff steht auch für das heutige Einkaufen, nur gut einen Kilometer vom Museum weg ist ein Real-Markt zu finden. Ein trauriges Kapitel des Wandels im Handel ist wenige Meter entfernt: Ein Eisenwarengeschäft hat 2014 geschlossen, die Inhaber konnten mit den Baumärkten nicht mehr konkurrieren. Ein Hofladen und ein Drogeriemarkt unweit florieren aber. Zwei Naturkostgeschäfte, ein selbstständiger Metzger und eine Bäckereifiliale nur zwei Minuten in die andere Richtung sind weitere Beispiele für die heutigen Formen des Einzelhandels.

Nicht nur im Puppenstubenformat

Mit der Schau will die Museumsleiterin Catharina Raible nicht nur mit der heilen Welt des Einkaufens in Puppenstubenform Besucher anlocken und diese in Erinnerungen schwelgen lassen. Sie möchte auch zeigen, wie die Leute früher an all das kamen, was gebraucht wurde – weil im Spielzeug das wirkliche Leben abgebildet wird. Die Palette reicht vom Marktstand des 18. bis zum Internethandel des 21. Jahrhunderts. Zeitlich dazwischen liegen der Tante-Emma-Laden mit Theke, der erste Selbstbedienungsladen der Siebziger (in Gerlingen ein Edeka) und die Gemüsegeschäfte der Einwanderer – hie und da liebevoll „Onkel Mehmet“ genannt.

All dies spiegelt sich auch im Spiel wider. So gibt es den Gemischtwarenladen in Ausprägungen vom ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Mitte der sechziger Jahre ebenso wie Spezialgeschäfte: Ein Metzger, bei dem noch eine dreiviertel Sau im Laden liegt, Bäcker und Zuckerwaren. Sehr hübsch: ein Spielzeuggeschäft und eines mit Devotionalien für gläubige Menschen. „Mit Kaufläden konnten nicht nur Mädchen spielen, auch Buben“, erklärt Raible.

Örtliche Familien werden zu Leihgebern

Die Hälfte der Kaufläden, die man stundenlang bestaunen könnte, stammen von der Sammlerin Gerda Ott aus Stuttgart. Sie stellt dem Museum immer wieder Material zur Verfügung. Auch Gerlinger Familien wurden nach einem Aufruf in dieser Zeitung zu Leihgebern, mit Fotos und Kaufläden. Einer von ihnen ist Harald Höschele.

Der 64-Jährige hat in den vergangenen Jahren fast alle Ausstellungen unterstützt. Auch sein Kaufladen ist mit vielen Erinnerungen verbunden. „Wir haben ihn 1984 für unsere Töchter Jasmin und Melanie gekauft“, erzählt Höschele. Von Quelle wurde er geliefert, zuhause zusammengebaut und bestückt. Nicht nur mit den Päckchen berühmter Artikel wie Pfanni-Knödel, Persil-Waschpulver oder Champignon-Camembert, auch mit echten Waren. „Schulkameraden und Nachbarskinder, auch wir Eltern mussten hinsitzen“, erinnert sich Höschele, „wir wurden immer sehr höflich empfangen mit den Worten ,was wünschen Sie bitte?’“ Und seine Frau ergänzt spitzbübisch: „Wenn er eingekauft hat, war der Laden bald leer.“ Vor allem Süßes habe es ihm angetan. Eines stehe fest: Nächstes Jahr bekommen die Enkel das gute Stück. Dann muss der Opa wieder einkaufen kommen.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 4. November 2018, um 11.15 Uhr in der Weilimdorfer Straße 9-11, eröffnet. Dieter Schweizer spricht über den Wandel vom Tante-Emma-Laden zum Onlinehandel. Um 15 Uhr wird eine Führung geboten.