Sie haben das Paradies gesucht und sind im Elend gestrandet: Der Ludwigsburger Kunstverein zeigt eine Fotoausstellung über Johannesburg nach dem Ende der Apartheid.

Ludwigsburg - Guy Tillim ist hinausgegangen, um mit seiner Kamera Geschichten zu sammeln, die er für erzählenswert hält. Jetzt zeigt der Ludwigsburger Kunstverein eine Serie von 40 Bildern des südafrikanischen Fotokünstlers – aber nicht nur im großen Ausstellungsraum des MIK. Denn auch der Kunstverein ist hinausgegangen auf die Straßen, etwa auf den Rathausplatz oder den Akademiehof, um Passanten für die Kunst zu interessieren: Kunst, die in Johannesburg entstand, nicht vor, sondern nach dem Ende der Apartheid.

 

Exodus der Weißen

Vieles, von dem, was Tillims zeigt, schmerzt. Er erzählt eine Befreiungsgeschichte, die sich in Bildern von Elend und Abstieg manifestiert. Als in den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts im Apartheidstaat die Rassentrennung aufgehoben wurde, wollten auch Schwarze endlich in die guten Wohnquartiere im Zentrum von Johannesburg ziehen. Doch rascher als der Zuzug der Neubürger aus den Vorstädten erfolgte der Exodus der Weißen. Innerhalb weniger Jahre verkam das Vorzeigeviertel zu einem Slum – wegen Missmanagement und korrupten Bandenführern.

Gleich nebenan die Apokalypse

„Inzwischen hat sich die Situation etwas verbessert“, sagt Tillim, der zur Ausstellungseröffnung angereist ist. Die Stadtverwaltung unternehme viel, um das Zentrum wieder bewohnbar zu machen. Doch Tillims Bilder, die der Kunstverein unter dem Titel „Jo’burg“ ausstellt, zeigen das, was ein Kunstkritiker als „Dasein Tür an Tür mit der Apokalypse“ bezeichnet hat. Die meisten dieser Räume sind verwüstet, über und über verdreckt und verrußt. Tillim zeigt aber auch: Hier leben Menschen. Sie haben keine Wahl. Sie haben nach Jahrzehnten der Unterdrückung und Misshandlung ein Paradies gesucht und sind in diesen Elendsquartieren gestrandet.

Tillim ist monatelang von Haus zu Haus gegangen, hat mit den Bewohnern gesprochen und ihr Vertrauen gewonnen. In seinen künstlerischen Ausdrucksformen hat sich der Fotograf alle Freiheiten gestattet. Was er suchte, war das quasi sprechende Detail. Wo etwa die Grenze zwischen dokumentarischer oder künstlerischer Fotografie verläuft, interessiert ihn nicht.

Politische Statements im Salon

Im Salon des MIK sind zudem Werke des Duos „Büro für verschiebbare Haltungen“ zu sehen. Der sperrige Titel erinnert nicht umsonst an das medienwirksam agierende „Zentrum für politische Schönheit“. Das Werk der Stuttgarter heißt „Anstiftung“, in dessen Zentrum stehen „Schwätzer und Agitatoren“. Das Duo will politische Statements machen, aber nicht moralisieren. „Die Moral kommt von außen“, sagt Rainer Schall, einer der Künstler.