Filigran gegen kolossal: Im Ludwigsburger Schloss antworten zeitgenössische Künstler auf barocke Titanen.

Ludwigsburg - Wer die neue Keramikausstellung im Lapidarium des Ludwigsburger Schlosses betritt, wird von Panik erfasst. Allerdings nur in übertragenem- oder genauer: im Wortsinn. Die Schweizer Künstlerin Gabrièle Gisi zeigt, wie der griechische Hirtengott Pan die flüchtende Nymphe Syrinx jagt und umschlingt. Dieses Motiv wiederum hat sie zu Porzellanbuchstaben geformt. Aber Gisi belässt es nicht bei P und A und N, sondern fügt noch ein I und ein C hinzu – und erzählt so ganz beiläufig, dass die Panik ein „von Pan verursachter Schrecken“ ist.

 

Warum aber Nymphen, Angst und Schrecken verbreitende Götter oder überhaupt mythologische Erzählungen? Soll es hier nicht um zeitgenössische Keramik gehen? Die Themen sind dem Ausstellungsraum geschuldet: Das Lapidarium ist voll mit gewaltigen Göttern, Engeln und Titanen. Fast alle monströs und aus ehrfurchtgebietendem Stein. „Wir wollen dem etwas entgegensetzen“, sagt Heide Nonnenmacher, die Vorsitzende des Bundes der Kunsthandwerker (BdK). Eine Jury hat insgesamt 16 Keramikkünstler zur Schau zugelassen: acht aus Baden-Württemberg und acht aus der Schweiz.

Zwischen Kunst und Design

Auch wenn sich die Arbeiten sowie die Techniken der Künstler untereinander sehr unterscheiden, eines zieht sich wie ein Roter Faden durch die Schau: Die zeitgenössischen Werke antworten auf die massiven barocken Skulpturen im Lapidarium mit Ironie, Witz und Leichtigkeit. So wirken etwa die Objekte aus Heide Nonnenmachers Werkstatt beinahe schwerelos. Die an Früchte und Eier erinnernden Porzellangebilde sind so leicht, dass sie von Fäden gehalten werden, die wiederum um die Gelenke barocker Kolosse geschlungen sind.

Caroline Andrine, die ihre Arbeiten irgendwo zwischen Kunst und Design verortet, hat eine freche Antwort auf die im Barock überbordende Begeisterung für die Jagd und den daraus resultierenden Kult um die Trophäen gefunden: Sie hat ganz eigene „Jagdtrophäen“ aus Ton geformt und diese an die Wand gehängt. Doch was wie die Köpfe erlegter Hirsche aussieht, sind Abgüsse von auf links gedrehten Lederhandschuhen. Die Handschuhfinger hat die Künstlerin so verzwirbelt, dass sie kleine Geweihe bilden. Die Füllhörner des Gottes Apoll haben wiederum Laurin Schaub zu einem Garten Eden inspiriert: Auf fast klassischen Porzellanschalen sind Bananen arrangiert.

Geister und Gesichter

Eine sehr viel komplexere Geschichte erzählt Jacques Kaufmann. Mit „Ghost“ beschwört er weniger die Geister von Toten als vielmehr den Geist, der immer wieder im Keramikhandwerk auflebte und von dem – so seine Befürchtung – immer mehr abhanden kommt. „Es ist leider so, dass viele Techniken verloren gehen“, sagt Nonnenmacher. Kaufmanns Arbeit besteht aus Gefäßen aus Schwarzem Ton, denen er eine scheinbar einfache Oberflächenstruktur gegeben hat. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich, dass die strukturbildenden Einheiten viele kleine menschliche Konterfeis sind. Jacques Kaufmann reagiert auf den diesmal nicht von Pan, sondern von Hypnos, dem Gott der Vergesslichkeit, verursachten Schrecken mit einer Vielzahl von Gesichtern.