Vergessene Künstlerinnen zeigt die Städtische Galerie in einer Sonderausstellung und konfrontiert ihre Werke mit zeitgenössischen Arbeiten. Damit setzt die Museumsleiterin Corinna Steimel ihre Forschungsarbeit fort.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Mit ihrer Ausstellung „Die Klasse der Damen“ hat Corinna Steimel vor drei Jahren für Furore gesorgt. Nun setzt die Leiterin der Städtischen Galerie Böblingen die Erfolgsgeschichte fort: „Verkannt, verschollen . . . unvergessen. Und verschoben!“ heißt die Sonderausstellung, die am Sonntag, 15. April, in der Zehntscheuer eröffnet wird. Dabei stellt sie die beiden im vergangenen Jahrhundert aktiven Malerinnen Maria Hiller-Foell und Gertrud Koref-Stemmler-Musculus in den Mittelpunkt – und setzt ihren Gemälden Arbeiten der zeitgenössichen Künstlerin Renate Liebel entgegen. Landschaften und Stillleben sind das verbindende Element. „Das war ein typisch weibliches Metier“, sagt Corinna Steimel über die Vergangenheit, und es ist auch das gegenwärtige Thema von Renate Liebel.

 

EIn Sinnbild für die Emanzipation

Äußerst spannend wirkt die Gegenüberstellung der Frauenkunst aus den verschiedenen Jahrhunderten. Während Maria Hiller-Foell (1880 – 1943) und Gertrud Koref-Stemmler-Musculus (1889 – 1972), die beide in einer Damenklasse an der Stuttgarter Kunstakademie studiert hatten, eher klassisch Blumensträuße malten, verarbeitet die an der gleichen Akademie ausgebildete Renate Liebel Plastikteile zu blumenartigen Plastiken, die gleichermaßen dekorativ, zudem humorvoll und kritisch wirken. Abgesehen davon, dass die Ausstellung die Werkentwicklung der zwei verkannten und verschollenen Damen zeigt, wird durch die aktuellen Arbeiten auch die seither erfolgte Ablösung von Rollenmustern deutlich.

Mit der Damenklasse zeigte Corinna Steimel erstmals seit 20 Jahren Werke von vernachlässigten Künstlerinnen der Moderne aus dem süddeutschen Raum. Die Schau wurde als wichtiger Beitrag zur Emanzipationsgeschichte der Kunst von Frauen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts bis heute angesehen. Manche der Arbeiten waren noch nie öffentlich zu sehen gewesen. Als Forschungsprojekt bezeichnet die Museumsleiterin das Thema, und das setzt sie jetzt fort: „Wenn man eine Neuentdeckung macht, kann man die Werke nicht nur ein Mal zeigen“, erklärt sie die Sonderausstellung. Bei Maria Hiller-Foell und Gertrud Koref-Stemmler-Musculus ist es ihr gelungen, eine ganze Reihe von Gemälden bei Privatleuten aufzutun.

Stillleben von Katzen und Vögeln

Stillleben von Katzen und Vögeln sind es von Maria Hiller-Foell, ein weich gezeichneter Rosenstrauß, eine warm leuchtende Ansicht von Genova oder eine filigrane, fast transparente Balletttänzerin. Auf Formen legte sie Wert, Musterungen und Strukturen. Von einer sachlich, geometrisch angeordneten Landschaft über eine surreale Abbildung der dalmatischen Küste bis hin zur pastos, also dick aufgetragenen Darstellung des Aletschgletschers reicht die Palette bei Gertrud Koref-Stemmler-Musculus. Wie Maria Hiller-Foell geht sie später dazu über, Figuren zu malen, grobe, archetypische Körper in verschiedenen Haltungen.

Von den Formen lasse sich auch Renate Liebel inspirieren, erklärt die Museumsleiterin, aber sie verschiebe den Kontext. Plastik und Kunststoffe sind ihr Arbeitsmaterial. Für ihre Landschaftsfotografien legt sie beispielsweise Kunstrasen im Wald aus, drapiert gelbe Schläuche in Bäumen, verteilt rote Sessel in einem Feld, die dann wie Blumen wirken. Aus ihren Gießkannen werden Schlingpflanzen und in ihren Vasen stecken Geflechte aus Polymerknete. Speziell für die Ausstellung hat Renate Liebel außerdem eine Installation geschaffen: Mit einem verschachtelten, ebenfalls aus geometrischen Formen bestehenden Objekt, das sie aus Kunstrasen zusammengenäht hat, stellt sie eine Verbindung zu dem Bild „Landschaft – Tirol  4“ her.

Zur Finissage bringt Corinna Steimel ihre Forschung dann in einer überarbeiteten Version des vergriffenen Katalogs zur Ausstellung „Die Klasse der Dame“ heraus.

Vernissage
Die Sonderausstellung „Verkannt, verschollen – unvergessen. Und verschoben!“ wird am Sonntag, 15. April, um 15 Uhr eröffnet. Birgit Herzberg-Jochum, die Vorsitzende des Bundes Bildender Künstlerinnen Württemberg, begrüßt die Besucher. Corinna Steimel, die Leiterin der städtischen Galerie Böblingen, führt danach in die Ausstellung ein. Sie ist bis zum 10. Juni in der Zehntscheuer zu sehen. Es soll ein Katalog zu der Frauenkunst erscheinen.

Programm
Vier Veranstaltungen sind während der Ausstellungsdauer geplant. Am Sonntag, 13. Mai, dem internationalen Museumstag, findet eine Lesung mit Hartmut Härer statt. Der Kunsthistoriker und Autor spricht von 15 Uhr an über den Briefwechsel von Gertrud Koref-Stemmler-Musculus mit ihrem ersten Mann Hermann Stemmler, der im Ersten Weltkrieg fiel. Am Freitag, 25. Mai, gibt es eine Frühstücksführung mit Corinna Steimel. Sie beginnt um 9 Uhr. After-Work-Kurzführungen werden von der Museumsleiterin immer donnerstags um 18 Uhr angeboten.