Die Truppe hatte einige Beschlüsse des Nato-Gipfels bereits vorempfunden, die Militärplaner haben schon den nächsten im Blick.
Die Bundeswehr treibt nach dem Brüsseler Nato-Gipfel, der am Donnerstag eine Verstärkung ihrer „Ostflanke“ beschlossen hatte, die entsprechenden Planungen voran. Im Mittelpunkt stehen dabei die weitere Verstärkung der Truppenpräsenz in Litauen sowie ein neuer Einsatz in der Slowakei.
Schon nach der Annexion der Krim und dem von Russland unterstützen Separatistenaufstand in der Ostukraine im Jahr 2014 hatte die Allianz zur Rückversicherung ihrer osteuropäischen Mitgliedstaaten vier multinationale Kampfverbände aufgestellt – in den drei baltischen Staaten sowie in Polen. Die sogenannte Battlegroup der Nato in Litauen steht unter deutscher Führung und ist kurz vor Kriegsbeginn in der Ukraine um 350 Soldatinnen und Soldaten auf jetzt 900 aufgestockt worden.
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Die Nato-Russland-Akte ist nicht mehr die Arbeitsgrundlage
Die Truppenobergrenze wurde bei jeweils 1000 gesetzt, zusammen mit dem Rotationsprinzip wollte man auf die Bestimmungen der Nato-Russland-Grundakte aus dem Jahr 1997 Rücksicht nehmen. Das Bündnis hatte darin zugesichert, auf dem ehemaligen Gebiet des Warschauer Pakts nicht „zusätzlich substantielle Kampftruppen dauerhaft“ zu stationieren.
In Brüssel wie in Berlin herrscht jedoch inzwischen die Meinung vor, dass das Dokument weitgehend obsolet geworden ist. So hatte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schon vor Gipfelbeginn von mittlerweile 40000 Soldaten unter dem Kommando der Allianz in den osteuropäischen Mitgliedstaaten gesprochen – eine Größenordnung, die mit der Akte ebenfalls nicht mehr in Einklang steht. „Moskau hat der Nato-Russland-Grundakte mit dem Überfall auf die Ukraine einseitig die Grundlage entzogen und eine ganz neue Bedrohungslage in Europa geschaffen“, sagt beispielsweise Nils Schmid als außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Die Allianz muss darauf reagieren und kann dabei auch keine Rücksicht mehr auf frühere Zusagen nehmen.“
Er unterstützt deshalb auch „die Stationierung weiterer Truppen und Waffensysteme, insbesondere von Flugabwehrsysteme vom Typ Patriot“. Sie können Flugzeuge, taktische ballistische Raketen und Marschflugkörper bekämpfen und waren schon vor Längerem von der litauischen Regierung als weitere Schutzmaßnahme erbeten worden. Inzwischen war ein Vorauskommando der entsprechenden Einheit vor Ort, und die die Verlegung steht kurz bevor.
Neuer Bundeswehreinsatz in der Slowakei
Das gilt auch für die Slowakei. Das dortige Parlament hat bereits vergangene Woche ein Mandat verabschiedet, dass die Entsendung von bis zu 700 „Luftverteidigungskräften“ erlaubt, wie die Bundeswehr schreibt. Die Slowakei gehört zusammen mit Ungarn, Rumänien und Bulgarien zu jenen vier Ländern in Nachbarschaft zur Ukraine, wo nach dem Nato-beschluss vom Donnerstag nun ebenfalls eigene Kampfeinheiten des Bündnisses stationiert werden.
Die Überlegungen gehen aber bereits darüber hinaus und betreffen nicht nur die Führung der sogenannten Nato-Speerspitzeneinheit im kommenden Jahr. Die deutschen Militärplaner lesen aus dem Gipfeldokument heraus, dass sie bis zum nächsten Nato-Gipfeltreffen Ende Juni in Madrid noch weitergehende Schritte ins Visier nehmen sollen. „Wir werden jetzt die Transformation der Nato beschleunigen, um sie einer gefährlicheren strategischen Realität anzupassen“, heißt es beispielsweise im Gipfelbeschluss vom Donnerstag. „Im Lichte der stärksten Bedrohung euro-atlantischer Sicherheit seit Jahrzehnten werden wir auch unsere langfristige Abschreckungs- und Verteidigungsbereitschaft signifikant stärken.“ Man werde die sich verstärkt auch auf atomare, biologische und chemische Bedrohungen einstellen und „weitere Entscheidungen fällen, wenn wir uns in Madrid treffen“.