Der Daimler-Betriebsrat muss künftig frühzeitig informiert werden, wenn Teile für neue Modelle zugekauft statt beim Autobauer produziert werden sollen. Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht wertet dies als großen Erfolg.

Stuttgart - Der Daimler-Betriebsrat sieht gute Chancen, künftig die Verlagerung von Arbeit auf Zulieferer zu bremsen. Die Zuversicht stützt sich auf eine neue Regelung, die Teil einer umfangreichen Vereinbarung mit den Arbeitnehmervertretern zur Zukunftssicherung beim Umbau des Konzerns in eine Holding ist. Daimler äußert sich nur knapp dazu, weil man sich bisher erst auf ein Eckpunktepapier geeinigt hat. Über Details des Interessenausgleichs und der Gesamtbetriebsvereinbarung wird noch verhandelt. Es bestehe „Einvernehmen, dass der Betriebsrat bei Investitionen in neue Produkte oder Entwicklungsleistungen in Fragen des Eigen- oder Fremdbezugs einbezogen werde“, teilt ein Daimler-Sprecher mit.

 

Gesamtbetriebsratschef Michael Brecht wertet diese geplante Mitsprache als großen Erfolg. „Bei den bisherigen Produkten und den Nachfolgegenerationen von Modellen gab es bereits eine Vereinbarung, die es uns ermöglicht, unseren Hut in den Ring zu werfen und mit dem Unternehmen darüber zu streiten, was selbst hergestellt und was zugekauft wird. Wenn es um neue Produkte und Dienstleistungen geht, bekamen wir aber bisher nie einen Fuß in die Tür“, erläutert Brecht. „Wir haben dies seit Jahren versucht, jetzt haben wir es geschafft“, so der Betriebsratschef. „Für uns Betriebsräte ist das ein wichtiger Hebel, mit dem wir ganz neu ansetzen können“, meint Brecht.

Heftige Auseinandersetzung in Untertürkheim

In der gesamten Automobilindustrie ist die Fertigungstiefe in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Fachleute schätzen, dass heute nur noch weniger als 30 Prozent des Produktionswerts eines Autos auf den Hersteller selbst entfällt, der Großteil kommt von Lieferanten. Mercedes-Produktionschef Markus Schäfer hat schon kurz nach seinem Antritt 2014 erheblichen Wirbel ausgelöst, als er bei der Vorstellung seiner Ziele ankündigte, die Fertigungstiefe auf den Prüfstand zu stellen. Man könne die gewachsene Fertigungsstruktur nicht einfach einfrieren, gab Schäfer damals zu bedenken. Heftige Auseinandersetzungen gab es zudem in diesem Sommer in Untertürkheim, als der Betriebsrat dafür kämpfte, dass verstärkt auch Komponenten für Elektroautos in Untertürkheim gefertigt werden sollen.

Das Unternehmen muss die Arbeitnehmervertreter nach der neuen Vereinbarung darüber informieren, wenn „neue Produkte produziert oder neue elektronische oder vergleichbare Komponenten in neu geplanten Fahrzeugen eingesetzt oder neue Mobilitätsdienstleistungen angeboten und von außerhalb des Daimler-Konzerns bezogen werden sollen“. Dies gilt auch für die entsprechenden Entwicklungsleistungen. Viele Entwicklungsleistungen seien fremdvergeben, sagt Betriebsratschef Brecht. Bisher habe es hier keine Mitsprache gegeben. Der Betriebsrat habe auch nicht gewusst, dass der elektrische Antriebsstrang, um den in Untertürkheim gerungen worden sei, gar nicht bei Daimler entwickelt worden sei.

Auch bei der Vergabe von Entwicklungsaufträgen kann der Betriebsrat mitreden

Die Informationen, die der Betriebsrat künftig erhalte, seien sehr wertvoll, sagt Brecht. „Wir haben nun die Möglichkeit, in den Clinch mit dem Unternehmen zu gehen und zu sagen, wir wollen das mit unserer eigenen Mannschaft machen.“ Die Arbeitnehmervertreter können dann innerhalb von vier Wochen konkrete Vorschläge vorlegen.

Wenn die Arbeitnehmervertreter belegen können, dass die Fertigung im Unternehmen wirtschaftlich wäre und das Management sich aus strategischen Gründen dennoch für einen Fremdbezug entscheidet, „sind den Arbeitnehmervertretern die Entscheidungsgründe detailliert und nachvollziehbar zu erläutern“, heißt es im Entwurf der Vereinbarung, der unserer Zeitung vorliegt. Vor der endgültigen Entscheidung ist auch zu prüfen, ob durch die Eigenfertigung ein aktuelles oder konkret absehbares Beschäftigungsproblem ganz oder teilweise bewältigt werden könnte.

Der Betriebsrat hat kein Vetorecht

Die neue Vereinbarung bringe zwar keine echte Mitbestimmung, räumt Brecht ein, es gebe kein Vetorecht. „Aber es ist ein deutlicher Fortschritt gegenüber den bisherigen Regelungen“, meint der Betriebsratschef. Es werde natürlich weiterhin Auseinandersetzungen über die Fertigungstiefe und die Anzahl der Stellen geben. „Wir werden nicht jede Auseinandersetzung gewinnen, aber ich bin überzeugt davon, dass es uns dadurch gelingen wird, die Fertigungstiefe auf dem heutigen Stand zu halten. Ich bin sicher, dass wir es in den meisten Fällen schaffen können, eine wirtschaftliche Produktion bei uns hinzubekommen“, sagt Brecht.