Der Kreis Ludwigsburg will eine Bürgergenossenschaft Wohnen gründen, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Das Strohgäu ist vorn mit dabei.

Strohgäu/Ludwigsburg - Hemmingen schreitet voran, um dringend benötigten bezahlbaren Wohnraum zu schaffen: Die Gemeinde hat beschlossen, Gründungsmitglied der Bürgergenossenschaft Wohnen im Landkreis Ludwigsburg zu werden – und sie ist eine der ersten Kommunen, in der die Genossenschaft erschwingliche Wohnungen bauen könnte. Denn einmütig hat der Gemeinderat auch entschieden, ein Gelände in der Goethestraße einzubringen: Anstelle des alten Bauhofs kommen zwei Mehrfamilienhäuser.

 

Im März will der Gemeinderat den geänderten Bebauungsplan absegnen, sodass der alte Bauhof noch in diesem Jahr abgerissen werden kann. Der Bürgermeister Thomas Schäfer (CDU) nennt die Gründung der Genossenschaft einen „wirklich guten Schritt und wegweisend“.

Bezahlbare Wohnungen sind Mangelware, im Kreis, in der Region, im ganzen Land. Wie viele solcher Wohnungen fehlen, lässt sich jedoch schwer beziffern. „Wir kennen den Bedarf nicht exakt“, sagt der Sprecher des Landratsamts, Frank Wittmer. Nicht jede Person, die keine bezahlbare Wohnung finde, melde dies bei einer offiziellen Stelle. Fakt ist allerdings: Die Nachfrage übersteigt das Angebot.

Ansturm auf Sozialwohnungen in Hemmingen

Hemmingen etwa ist gerade dabei, die sechs geförderten Wohnungen in der Hauptstraße 37 zu vermieten. Errichtet hat sie die gemeinnützige Stuttgarter Vector Stiftung, Hemmingen mietet sie für zunächst 20 Jahre. Die Miete dieser Sozialwohnungen ist knapp ein Drittel günstiger als die ortsübliche Vergleichsmiete. „Hier gibt es definitiv mehr Anfragen als verfügbaren Wohnraum“, sagt der Referent des Bürgermeisters, David Rohnert. Die Gemeinde bemühe sich darum, auch künftig mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen – zum Beispiel über die Bürgergenossenschaft.

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Deren Gründung erfolgt vor dem Hintergrund, dass immer mehr Menschen Probleme haben, Wohnraum zu angemessenen Kosten zu finden. Sei es Bestand, sei es ein Neubau. Betroffen seien Personen mit geringem, aber auch durchschnittlichem Einkommen. Die Bürgergenossenschaft geht zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum laut dem Landrat Dietmar Allgaier (CDU) einen landesweit völlig neuen Weg: Neben Kommunen können sich auch Bürger beteiligen.

Ziel: dauerhaft bezahlbarer Wohnraum

Die Genossenschaft will die geschaffenen günstigen Mietwohnungen dauerhaft im Bestand erhalten und damit anhaltend bezahlbar machen. So unterscheiden sich die Wohnungen von geförderten Mietwohnungen: Die fallen nämlich nach einer bestimmten Zeit aus der Förderbindung heraus – und sind dann eher nicht mehr günstig.

Grundsätzlich funktioniert das Vorhaben nur, wenn möglichst viele Städte und Gemeinden mitmachen und Grundstücke und Bestandsobjekte einbringen. Bei deren Gestaltung bestimmen sie mit. Eine Kommune erhält für jede geförderte Wohnung auf ihrer Gemarkung 2000 Euro. Partner wäre die Wohnungsbau Ludwigsburg. Sie soll planen, bauen und die Immobilien verwalten.

Korntal-Münchingen hat großen Druck

Mindestens drei Gründungsmitglieder sind nötig, um loszulegen – und dahingehend sieht es gut aus: Das Konzept stößt laut dem Landkreis auf großes Interesse. Mittlerweile haben auch Remseck und Affalterbach den Beitritt beschlossen. Schwieberdingen stimme sich derzeit mit dem Landratsamt ab und plane, dem Gemeinderat im März einen Beitritt vorzuschlagen, sagt der Landratsamtssprecher Frank Wittmer.

Der Landkreis werde im März und April in die Gremienberatungen gehen. Noch im ersten Halbjahr 2022 soll die Gründung über die Bühne gehen. Zum Start investiert der Landkreis 400 000 Euro in die Bürgergenossenschaft, die Kreissparkasse Ludwigsburg unterstützt mit 1,5 Millionen Euro. Auch das Land hat schon Interesse signalisiert, sie zu fördern.

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Korntal-Münchingen gehört zu den Kommunen, die zurzeit beraten – und vermutlich auch beitreten. Aus der Verwaltung heißt es, mit der Umsetzung des Handlungskonzepts „bezahlbarer Wohnraum“ hätten bereits einige Erfolge erzielt werden können. Das Konzept der Genossenschaft „könnte einen weiteren wichtigen Baustein bilden“.

Gaisgasse für die Genossenschaft?

Die Gemeinderäte sehen das ähnlich. „Bezahlbarer Wohnraum ist in Korntal-Münchingen ein Luxus geworden“, sagt der CDU-Fraktionschef Oliver Nauth. Insgesamt entstehe in der Stadt zu wenig. Die Chefin der Freien Wähler, Marianne Neuffer, sagte, die Stadt habe ziemlich wenig Möglichkeiten für Belegungsrechte im Neubau. Andrea Küchle von der FDP kann sich vorstellen, dass die Stadt sich mit der Gaisgasse in die Genossenschaft einbringt.

Laut der Rathaussprecherin Benita Röser sind beim zentralen Gebäudemanagement derzeit rund 160 Anträge auf der Warteliste, von Einzelpersonen bis kinderreichen Familien. „Vermutlich gibt es noch deutlich mehr, die aber erst gar nicht auf uns zukommen.“

Info: die Situation ist gleichbleibend schlecht

Mangelware
Eine Prognose des Verbands Region Stuttgart aus dem Jahr 2018 geht in der Eigenentwicklung von einem Bedarf an 7917 Wohneinheiten beziehungsweise 258 Hektar Bauland bis zum Jahr 2035 für den Landkreis Ludwigsburg aus. Für zugezogene Menschen rechnet der Verband Region Stuttgart im Landkreis Ludwigsburg bis zum Jahr 2035 mit einem Bedarf an 21 000 Wohneinheiten beziehungsweise 697 Hektar. „Dabei unterscheidet der Verband aber nicht zwischen bezahlbarem Wohnraum und hochpreisigem Wohnraum“, sagt der Sprecher des Landratsamts Ludwigsburg, Frank Wittmer. Insgesamt habe die Bautätigkeit zwar zugenommen, gleichzeitig fallen immer mehr Wohnungen aus der Bindung als preisgünstiger Wohnraum heraus. „Daher hat sich die Situation in den letzten Jahren nicht verbessert“, sagt Frank Wittmer. Der Landkreis Ludwigsburg hat deshalb im Jahr 2018 ein Bündnis für bezahlbaren Wohnraum gegründet.

Warteliste
 Der Partner der geplanten Bürgergenossenschaft Wohnen im Landkreis Ludwigsburg wird die Wohnungsbau Ludwigsburg. Dort warten nach Angaben des Geschäftsführers Andreas Veit mehr als 1400 Haushalte auf eine bezahlbare Wohnung. Die Wohnungsbau, so Andreas Veit, besitzt 2300 Mietwohnungen, davon seien 900 für den sozialen Bereich reserviert. Bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sieht er als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge.