Eine neue Bürgerinitiative will mehr Mitsprache der Bürger, nicht nur beim IBA-Projekt Backnang-West. Man sei indes nicht generell gegen die Bebauung des rund 15 Hektar großen Areals am Rande der Innenstadt.

Rems-Murr/ Ludwigsburg: Martin Tschepe (art)

Backnang - Die drei Männer aus Backnang haben sich bei den Workshops zur Internationalen Bauausstellung (IBA) 2027 kennengelernt – und fordern von der Stadt, dass die Bürger auch künftig stärker einbezogen werden. Immer dann, wenn es um die Themen Wohnen und Stadtentwicklung geht. Marco Schlich, 44 Jahre, Ingenieur, Mats Schlühmann, 27 Jahre, er arbeitet in der Gastronomie, und Volker Stutenbäumer, 66 Jahre, Ingenieur im Ruhestand und zweiter Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in Backnang, haben jetzt die Bürgerinitiative „Backnang für alle“ ins Leben gerufen. Mittlerweile beteiligten sich gut zwei Dutzende Männer und Frauen, erzählt das Trio.

 

Die Initiative will sich einsetzen gegen Verdrängung, gegen Wohnungsnot und gegen „den Ausverkauf der Stadt“. Seit ein paar Jahren locke die Stadt immer mehr Investoren nach Backnang, es entstünden aber „hauptsächlich luxuriöse Prestigeprojekte“. Es sei zu befürchten, dass die Mieten in der Stadt weiter und weiter steigen. Bestes Beispiel seien die Kronenhöfe, die zurzeit mitten in der City gebaut werden – dort seien preiswerte Wohnungen nicht vorgesehen.

Wohnraum für jedermann gefordert

Beim sogenannten Quartier Backnang-West, das im Rahmen der IBA umgesetzt werden soll, befürchten die drei Männer und ihre Mitstreiter, dass Menschen mit kleinem Geldbeutel wieder nicht zum Zuge kommen könnten – obgleich die Stadtverwaltung und der Gemeinderat beteuern: Es solle Wohnraum für jedermann entstehen. Diesen Wunsch hatten viele Teilnehmer der Workshops im zweiten Halbjahr 2019 geäußert.

„Backnang für alle“ will, dass zwei Vertreter jener Bürger, die bei den Workshops mitgearbeitet haben, auch künftig mitreden und mitentscheiden dürfen, wenn es darum geht, ganz konkrete Pläne für die Bebauung des Areals Backnang-West festzuzurren. Sie fürchten, dass schlussendlich in erster Linie die Eigentümer der Flächen das Sagen haben werden. Die Stadt, schlagen Schlich, Schlühmann und Stutenbäumer vor, könnte sich womöglich Flächen sichern und eine bestimmte Quote für den Bau von erschwinglichen Wohnungen vorschreiben – „mindestens 30 Prozent“, sagt Schlich. Schlühmann erklärt, toll wären auch Genossenschaftsmodelle, die es Menschen mit wenig Geld ermöglichten, Eigentum zu erwerben. In anderen Städten seien solche Projekte erfolgreich umgesetzt worden, in Tübingen zum Beispiel.

Bürgerinitiative befürchtet Gentrifizierung

„Backnang für alle“, sagt der Awo-Mann Stutenbäumer wolle auch „öffentlichen Druck“ aufbauen, damit die Eigentümer von Grundstücken sich sozial verhielten. Schlich sagt, er befürchte, dass die Eigentümer der Stadt das Messer auf die Brust setzen und sinngemäß erklären werden: Wenn die Bebauung nicht in unserem Sinn laufe, dann passiere halt gar nichts auf dem rund 15 Hektar großen Gelände Backnang-West.

Die Stadt Backnang baue zwar selbst. Es entstünden aber viel zu wenig Wohnungen. Stutenbäumer spricht von „einem Tropfen auf den heißen Stein“.

Das IBA-Projekt dürfe keinesfalls zu einer Gentrifizierung führen, also zu einer Aufwertung des Stadtteils durch die Sanierung mit der Folge, dass die dort ansässige Bevölkerung durch wohlhabende Menschen verdrängt wird. Auch die Zukunft mehrerer sozialer Einrichtungen auf dem Gelände sei in Gefahr, etwa die des selbstverwalteten Jugendzentrums.

Abschlussveranstaltung am 4. Februar

Man sei keinesfalls gegen die IBA, betonen die Vertreter der Initiative. Sie sagen indes auch: Die Stadt habe sich für einen Weg entschieden, bei dem „die Bevölkerung das Gefühl bekommt, sie wäre von Anfang an eingebunden gewesen, jedoch ohne jemals realen Einfluss auf den Prozess gehabt zu haben“.

An diesem Dienstag geht die Abschlussveranstaltung zum sogenannten IBA-Dialogherbst mit den Workshops zu Ende, die Veranstaltung im Bürgerhaus beginnt um 18.30 Uhr. Alle interessierten Bürger müssen sich auf der Homepage der Stadt anmelden. Keine Frage: mehrere Mitglieder der neuen Bürgerinitiative haben das längst getan.