Susanne Heynen ist künftig Chefin von fast 3900 Mitarbeitern. Die promovierte Psychologin freut sich auf die neue Herausforderung und will Jugendhilfe stärker mit der Wissenschaft verzahnen.

Stuttgart - Für den Gemeinderat war die Sache klar: Mehrheitlich wählte er die 55-jährige Susanne Heynen zur Leiterin des Jugendamts. Sie folgt auf Bruno Pfeifle, der nach 22 Jahren in dieser Position seit 1. Mai im Ruhestand ist und um dessen Nachfolge es zunächst eine Hängepartie bei der Suche gegeben hatte. Doch was veranlasst eine 55-jährige promovierte Psychologin, den Chefposten in einem Amt zu übernehmen, das mit knapp 3900 Mitarbeitern zu den größten in Stuttgart gehört und sicher nicht zu den einfachsten?

 

Für Susanne Heynen ist es eine schlüssige Sache: Seit 22 Jahren ist die gebürtige Hamburgerin bei der Stadt Karlsruhe in der Jugendbehörde beschäftigt, zuerst als Psychologin in der Psychologischen Beratungsstelle, dann als Leiterin des Kinderbüros, das sich stark konzeptionell mit Jugendhilfeplanung, Familienbildung und Jugendschutz beschäftigt und viele Prozesse angestoßen hat. Und seit zehn Jahren leitet sie das Karlsruher Jugendamt mit 560 Beschäftigten. „Und jetzt ist es Zeit für was Neues – eine neue Herausforderung“, sagt Heynen.

„3900 Mitarbeiter – das ist schon echt ne Hausnummer“

Sie räumt ein: „3900 Mitarbeiter – das ist schon echt ’ne Hausnummer.“ Das Stuttgarter Jugendamt sei „zwar riesig, aber es ist gut  aufgestellt“, meint dessen neue Chefin. „Jugendhilfeplanung, Qualitätsentwicklung, stadtteilbezogene Ansätze – es gibt vieles, was die Stelle attraktiv macht.“ Auch die damit verbundenen Anforderungen seien ihr nicht fremd. „Durch meine beruflichen Tätigkeiten kenne ich sämtliche Bereiche der Jugendhilfe“, sagt sie.

Auch ihr erster Beruf als Ergotherapeutin kommt ihr zugute. Unter anderem hat sie eine Ergotherapie-Modelleinrichtung für behinderte Kinder mit aufgebaut und war in der Frühförderung aktiv. „Die Jugendhilfe“, sagt Heynen, „muss sich kontinuierlich weiterentwickeln – in diesem Arbeitsbereich gibt es unglaubliche Anforderungen aus der Gesellschaft.“ So beschließe der Bund neue Gesetze, die umgesetzt werden müssten, etwa das Bundeskinderschutzgesetz – „und die Ressourcenfrage ist da noch nicht geklärt, das ist ein riesiges Spannungsfeld“.

Auch der Ausbau der Kitaplätze und der Umgang mit klagenden Eltern wird Heynen beschäftigen, klar. Aber hat die Neue schon eine Idee, wie die Logistik bei der Vermittlung der Betreuungsplätze verbessert werden kann? Diese Baustelle kommt für die künftige Amtschefin offenbar überraschend. „Ich bin davon ausgegangen, dass Stuttgart ein zentrales Anmeldesystem hat – es wurde mir jedenfalls nicht als Problem signalisiert“, berichtet sie.

Allerdings hat sie in Stuttgart noch gar nicht angefangen. Dies wird erst am 1. Juli sein. Trotzdem werde sie am 13. Juli noch am Jugendhilfeausschuss in Karlsruhe teilnehmen. Auf Stuttgart freue sich schon, so Susanne Heynen. „Das ist wie eine Reise in ein neues Land – ich bring Kompetenz, Engagement, Neugierde mit, und ich kenne mich bei den Aufgaben gut aus.“ Das Stuttgarter Jugendamt habe einen guten Ruf, etwa im Kinderschutz, und „engagierte, gute Leute“. Auch die Unterbringung der minderjährigen Flüchtlinge habe Stuttgart „gut gemanagt“.

Susanne Heynen will Jugendamt nicht aufteilen

Die von den Ratsfraktionen immer mal wieder ins Spiel gebrachte Aufteilung des Jugendamts in eine operative und eine serviceorientierte Einheit habe sie nicht als klares Signal erhalten. „Ich kann mir das nicht vorstellen, dass man alle Serviceangebote ausgliedert“, sagt Heynen. „Der öffentliche Träger ist immer verpflichtet, Leistungen selber anzubieten, wenn es keinen freien Träger gibt.“ Etwa bei der Kinderbetreuung. Doch dazu brauche er auch die Erfahrung. Außerdem sei das Amt auch auf die Impulse aus der Fachlichkeit seiner Einrichtungen angewiesen, neben den Impulsen aus der Stadtgesellschaft und aus der Politik. Was die Neue als vordringliche Aufgabe sieht? Erst mal schauen, wie das Jugendamt mitsamt seinem kommunalpolitischen Umfeld tickt. Und dann will sie „möglichst schnell verstehen, wer die Akteure sind und wie die Aushandlungsprozesse laufen“.

Ihre Lehraufträge an der FH Mannheim und der PH Karlsruhe habe sie beendet. „Ich halt ab und zu noch einen Vortrag und schreib mal einen Fachartikel“, sagt die ehemalige Stipendiatin (und jetzige Mentorin) der Böckler-Stiftung, die 1999 ihre Promotion über „Die Bedeutung subjektiver Theorien für Bewältigungsprozesse nach einer Vergewaltigung“ magna cum laude abgeschlossen hatte, also mit großem Lob. In ihrem Karlsruher Amt hatte sie ein Praxisforschungsprojekt zu innerfamiliären Tötungsdelikten eingerichtet, samt wissenschaftlicher Mitarbeiterin, die von einer Stiftung finanziert wurde. „Das war die Kür“, sagt Heynen, die sich als „strukturiert und analytisch“ bezeichnet. Auch die Abschlusstagung zu diesem Projekt werde sie am 11. Juli noch selber durchführen. Das ist sie sich schuldig.

Doch ganz Schluss mit der Wissenschaft soll auch in Stuttgart nicht sein. „Die Jugendhilfe muss sich immer auch dem kritischen Blick der Forschung stellen“, findet sie. Sei es beim Kinderschutz oder der frühkindlichen Bildung: „Wir müssen wissen, was wir da tun. Dafür braucht es eine Verzahnung mit der Wissenschaft – wie, das muss man sehen.“