In Europa soll weniger Plastikmüll in der Umwelt landen. Aus diesem Grund hat die EU eine Richtlinie erlassen, in der auch Kleinteiliges geregelt wird – doch nicht jedem gefällt das.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Der Plastikdeckel geht nicht ab – da hilft auch kein Ziehen und Zerren. Das Teil ist untrennbar mit der Limonadenflasche verbunden. Was zunächst wie ein Herstellungsfehler erscheint, entpuppt sich bei näherer Untersuchung als gewollt. Allerdings ergibt die Konstruktion keinen Sinn, denn der abgeklappte Deckel erschwert das Trinken aus der PET-Flasche. Das ist nur eine Kleinigkeit, stört beim großen Durst aber gewaltig. Und wenn die Welt sich über etwas aufregen kann, sind die dauerempörten Internauten in den sozialen Netzwerken prompt zur Stelle.

 

Ein „EU Hirnfurz“ löst Empörung aus

Zu ihrem Sprachrohr macht sich in diesem Fall Hans-Georg Maaßen, der offensichtlich durch dieses kleine Plastikteil die bürgerliche Freiheit gefährdet sieht. Auf Twitter schreibt der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz: „Ein Volk, das sich allen Ernstes mahnen lässt, was es mit Getränkeverschlüssen zu tun hat, wird auch den #Wärmepumpen-Wahnsinn brav umsetzen.“

In den nicht immer zitierbaren Kommentaren unter dem Tweet purzeln die Verschwörungsmythen wild durcheinander, ein User allerdings bemerkt, dass in diesem Fall die Verantwortung nicht in Berlin zu suchen, sondern ein „EU Hirnfurz“ sei.

Und tatsächlich ist in Brüssel am 5. Juni 2019 die EU-Richtlinie 2019/904 veröffentlicht worden. In der geht es auf sehr vielen Seiten und außerordentlich wortreich um den Kampf gegen die Verschmutzung der Meere durch Plastikmüll. Angeprangert wird nicht nur, dass alte Fischernetze über Bord geworfen werden, in denen sich Tiere verfangen und jämmerlich zugrunde gehen.

Zu viele Deckel landen im Meer

Großen Ärger bereiten auch die kleinen Plastikdeckel. Bei Untersuchungen an der Nordsee wurden laut der Verbraucherzentrale Hessen mehr als 40 von ihnen auf etwa 100 Meter Strand gefunden. Das will die EU mit ihrer sogenannten Einwegkunststoffrichtlinie in Zukunft verhindern. Kurz zusammengefasst steht dort in Artikel 6, dass ab Juli 2024 die Deckel an den PET-Flaschen befestigt sein müssen. Der Gedanke dahinter ist einfach: Wenn die Kappe dranbleibt, kann die Menge an Plastikmüll eingedämmt werden, die durch die Meere treibt.

Viele Hersteller stellen schon jetzt auf die von der EU geforderten „Tethered-Caps“ (auf Deutsch: verbundene Deckel) um. Für Arne-Fritz Wiese von der Dortmunder KHS-Gruppe, einem Unternehmen für Abfüll- und Verpackungsanlagen, kommt dieser Schritt nicht zu früh. Der Auswahlprozess bei der Suche nach dem geeigneten Verschluss sei komplex und könne bisweilen Monate dauern. „Daher ist es wichtig, jetzt die Anforderungen zu klären, damit wir die Richtlinie für unsere Kunden verlässlich umsetzen können“, betont der Fachmann für Verschlüsse, Gewinde und Behälterdesign.

Ein kleiner Schritt für den Umweltschutz

Der Getränkehersteller Gerolsteiner räumt auf seiner Homepage ein, dass die Tethered Caps für die Verbraucher am Anfang vielleicht noch etwas ungewohnt sein könnten, betont dann aber: „Nach kurzer Zeit schon wird der Bleibt-dran-Deckel für uns alle das Normalste der Welt sein.“ Und für den Umweltschutz zähle schließlich auch der kleinste Beitrag.