Die ARD-Produktionsfirma Degeto steht bislang für kitsch- und schnulzen­lastige Abendunterhaltung. Die neue Chefin Christine Strobl will das ändern.

Stuttgart - Die Degeto ist die Filmeinkaufs- und Produktionsorganisation der ARD. Sie steht bislang für das Kitsch- und Schnulzenimage der Abendunterhaltung. Christine Strobl will dies ändern und dringt auf zeitgemäße Erzählformen.
Frau Strobl, was qualifiziert Sie für die Degeto-Geschäftsführung?
Das sollten die Personen beantworten, die mich berufen haben. Ich habe 13 Jahre lang in einem großen Haus wie dem SWR sehr unterschiedliche Erfahrungen sammeln dürfen, sowohl inhaltlicher Art als auch im Managementbereich. Außerdem bringe ich eine große Leidenschaft fürs Programm mit und nehme die Zuschauer sehr ernst.

Ihre Vorgängerin Bettina Reitz galt als Idealbesetzung, weil sie früher Produzentin war. Ist das ein Manko bei Ihnen?
Wir produzieren beim SWR ja in nicht unerheblichem Umfang selbst: Fernsehfilme, „Tatort“, „Die Fallers“, Kinderprogramme. Auch wenn ich mich nicht als Produzentin bezeichnen würde, habe ich durchaus Einblicke in dieses Arbeiten bekommen.

Was reizt Sie an der neuen Aufgabe?
Die Dimension der Herausforderung. Die Arbeit ist meiner Tätigkeit beim SWR als Leiterin der Abteilung Film und Familienprogramm nicht unähnlich, auch wenn das Volumen natürlich deutlich größer ist.

Sie fürchten kein Frusterlebnis, wie es Frau Reitz widerfahren ist? Sie ist die Aufgabe ähnlich zuversichtlich angegangen.
Die Ausgangsposition ist natürlich schwierig, aber darin liegt ja auch eine Chance. Ich habe keine Angst davor zu scheitern, zumal ich sicher bin, dass die Kollegin Reitz mir ein solides Fundament hinterlassen hat. Auf dieser Basis werden wir in der Degeto eine inhaltliche Neuausrichtung starten.

Ihre Vorgängerin hatte praktisch keinen Gestaltungsspielraum. Ist das jetzt anders?
Die Degeto hat, vereinfacht gesagt, in den letzten Jahren zu viel produziert und eingekauft, daher ist ein Programmstock entstanden, der erst mal abgebaut werden muss. Die nächsten ein bis zwei Jahre werden wir noch mit angezogener Handbremse fahren. Aber es beginnen auch in diesen Wochen Dreharbeiten für neue Produktionen, und Lizenzeinkäufe finden ebenfalls nach wie vor statt; nur in kleineren Dimensionen als sonst. Ab 2014 rechne ich mit einem normalen Produktionsjahr.

Bettina Reitz hat vor ihrem Ausscheiden angekündigt, dass die Fernsehfilmredaktionen der ARD größeren Einfluss auf die Entscheidungen bei der Degeto haben werden. Haben Sie überhaupt was zu sagen?
Die Degeto hat selbst größtes Interesse, möglichst eng mit der Fernsehfilmkoordination und ARD-Programmdirektor Volker Herres zusammenzuarbeiten. Wir müssen in Zukunft alle mit weniger Geld auskommen, schon allein das macht eine engere Kooperation nötig.

Mit welchen Hoffnungen treten Sie an?
Zunächst hoffe ich, dass es uns gelingt, die inhaltliche Neuausrichtung vor allem auf unseren Sendeplätzen um 20.15 Uhr möglichst zügig voranzutreiben. Das betrifft ja keineswegs nur den Freitag, auf den die Degeto zu Unrecht gern reduziert wird. Mir gefällt da auch nicht alles, aber der schlechte Ruf dieses Sendeplatzes ist nicht gerechtfertigt. Es wird mein erster Schwerpunkt sein, hier eine Qualität anzubieten, auf die die ARD stolz sein kann.

Was soll sich bei den Freitagsfilmen, die ja bevorzugt von Frauen ab sechzig eingeschaltet werden, ändern?
Die bisherige Zielgruppe ist uns sehr wichtig. Aber es gibt qualitativ gesehen eine große Bandbreite. Ich möchte den Sendeplatz heutiger machen: mit modernen Geschichten, modernen Familienkonstellationen und moderner Erzählweise.

Ist womöglich das Freitagsprinzip „Frau findet Mann“ in Gefahr?
Nein, die Liebe wird dem Sendeplatz erhalten bleiben, schließlich ist das ein Thema, das uns alle unmittelbar beschäftigt. Aber es muss nicht immer nach dem gleichen Strickmuster erzählt werden.

Die Degeto ist für ein Drittel des ARD-Programms zuständig. Wird sich der Einfluss vergrößern, wenn die Sender noch stärker sparen müssen?
Ich will darauf hinarbeiten, dass die Fernsehfilmredaktionen und die Degeto ihr Geld auch wirklich in Filme und Serien investieren. Aber die Degeto muss auch sparen. Die Firma hat zuletzt zu viel Geld ausgegeben und muss das in den nächsten Jahren ausgleichen. Im Rahmen der Sparbemühungen wird außerdem natürlich auch unser Etat moderat gesenkt.

Filmfreunde bedauern, dass so mancher preisgekrönte Degeto-Einkauf erst nach Mitternacht gezeigt wird. Sehen Sie Chancen für einen festen Kinoplatz im „Ersten“?
Wir hätten nach meinem ersten Eindruck gar nicht genug Filme, um so einen Sendeplatz das ganze Jahr hindurch bespielen zu können. Aber wir werden im Rahmen unseres „Sommerkinos“ ab dem 23. Juli montags um 20.15 Uhr so hochwertige und unterschiedliche Filme wie „Willkommen bei den Sch’tis“, „Der Vorleser“ oder „Soul Kitchen“ zeigen. Wenn der Sendeplatz angenommen wird, ist er sicher ausbaufähig.

Die Degeto ist eines der wichtigsten Unternehmen in der deutschen Medienlandschaft, aber man weiß kaum etwas über die Firma, es gibt nicht einmal eine Internetpräsenz. Werden Sie das ändern?
Natürlich muss die Degeto im Internet angemessen vertreten sein, und ich bin auch sonst sehr dafür, nicht nur die Präsenz, sondern auch die Transparenz zu stärken; wir haben schließlich nichts zu verbergen. Wir sind Dienstleister für das Erste, die Dritten, Arte und 3Sat. Auch wenn wir nicht die Rolle einer zehnten Landesrundfunkanstalt einnehmen wollen: mehr Offenheit würde sicher nicht schaden.