Die Besetzung der Position der Drogenbeauftragten zeigt: die fällige Politikwende bleibt aus. Dabei wäre sie dringender denn je, meint Berlin Korrespondent Norbert Wallet.

Berlin - Es ist gut zu wissen, dass es mit der CSU noch eine Partei gibt, die Traditionen wertschätzt und pflegt. Eine dieser Traditionen besteht darin, den Posten des Drogenbeauftragten der Bundesregierung mit einer Person zu besetzen, die nicht nur wenig, sondern schlichtweg keine Qualifikation für die Stelle mitbringt. Marlene Mortler hatte das Amt seit 2014 inne. Von ihr stammt der Satz, der ihre, nun ja, politisch abstinente Amtsführung so zusammenfasst: „Cannabis ist verboten, weil es eine illegale Droge ist.“

 

Monatelang blieb die Nachfolge-Frage ungeklärt

Mortler ist ins Europaparlament eingezogen. Die Nachfolgefrage blieb von der CSU, die in der großen Koalition das Zugriffsrecht hat, monatelang ungeklärt. Schon das zeigt, welchen Stellenwert die Drogenpolitik für die Partei hat – keinen. Nun aber ist die Nachfolgerin benannt. Die 44-jährige Juristin Daniela Ludwig hat sich im Bundestag bislang mit Verkehr und Tourismus beschäftigt. Das genügte Markus Söder, denn Ludwig ist ein Versorgungsfall. Nachdem Söder ihr im Januar das Amt der stellvertretenden Generalsekretärin weggenommen hatte, sollte ihr ein Ausgleich geschaffen werden.

Die Umstände dieser Besetzung sind skandalös. Wie abwegig sie ist, zeigt die ausgesprochene Mühe, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte, um wenigstens einige beschönigende Worte zur Personalie Ludwig zu finden. Nach merklich langer Suche verstand sich Spahn zu dem Hinweis, das eine Drogenbeauftragte „mitten im Leben“ zu stehen habe, und Ludwig bringe als „langjährige Bundestagsabgeordnete und ehrenamtliche Kreisrätin“ genau dies mit. Ein Lob wie eine Keule.

Es hätte qualifizierte Interessenten gegeben

Den Außenstehenden kann es egal sein, dass sich die CSU damit taktisch schadet. Aber zum Verständnis des Ausmaßes dieser abenteuerlichen Berufung ist der Hinweis wichtig, dass es in der CSU-Landesgruppe mindestens zwei Kandidaten gegeben hätte, die der Sache aufgrund von Kompetenz und Ausstrahlung bestens gewachsen gewesen wären. Die beiden Gesundheitspolitiker Emmi Zeulner und Stephan Pilsinger hätten Interesse und eigene Konzepte mitgebracht. Sie hätten einen Neustart in der Drogenpolitik glaubwürdig vertreten können.

Der wäre dringend nötig, denn die Bilanz der scheidenden Drogenbeauftragten Mortler ist katastrophal. Unter ihrer Amtsführung stieg die Repression stark an – um über 40 Prozent stiegen die registrierten konsumnahen Verstöße gegen das Betäubungsmittel-Gesetz. Nur wurde damit das Ziel nicht erreicht: die Zahl der Drogen Konsumierenden steigt weiter und die Verfügbarkeit ist nach wie vor hoch. 60 Prozent aller Verstöße gegen betreffen Cannabis. Und der von Dealern vertriebene Stoff wird immer stärker.

Neuansatz wäre dringend erforderlich

Das sollte Anlass genug sein, über neue Wege der Drogenpolitik nachzudenken, bei denen Regulierung und Information im Vordergrund stehen, nicht Kriminalisierung. Nicht nur die Fachwelt, auch die Gesundheitspolitiker – selbst in der Union – diskutieren seit längerem eine kontrollierte Cannabis-Abgabe. Die Nutzer müssten sich registrieren, vorgegebene Bedingungen erfüllen (Alter, gesundheitliche Kriterien und anderes) und erhielten im Gegenzug Informationen über Gefahren, aber auch über die Stärke des abgegebenen Stoffes.

Ein solch neuer Ansatz hätte auch für die Unionsparteien ein politischer Befreiungsschlag werden können, der Brücken zu jüngeren Wählermilieus schlüge. Die CSU war nicht daran interessiert. Aber bald ist ja wieder Oktober. Dann gibt es garantiert wieder schöne Bilder bajuwarischer Parteigrößen in Trachtenlook beim „massweisen“ Konsumieren ganz legaler Drogen...

norbert.wallet@stzn.de