Für den Kreis Böblingen schwebt Landrat Roland Bernhard ein ambitioniertes Ziel vor: Er will sich dafür einsetzen, dass künftig auch hier Strom aus Windkraft erzeugt wird.

Ludwigsburg: Anne Rheingans (afu)

Bislang dreht sich auf dem Gebiet des Landkreises Böblingen kein einziges Windrad. Das soll aber nicht so bleiben. Zumindest wenn es nach dem Willen von Landrat Roland Bernhard geht. Ihm schwebt ein ehrgeiziges Ziel vor, damit künftig direkt im Kreis mehr regenerativer Strom erzeugt wird.

 

„Wir sind ein Industrielandkreis, in dem viel Energie benötigt wird“, sagt Bernhard. Er geht davon aus, dass der „Hunger nach Strom“ sogar noch weiter zunehmen wird. Dieser müsse unter anderem durch regenerative Energien gestillt werden. Das sei nicht nur aus ökologischer Sicht sinnvoll. Die aktuellen Ereignisse machten deutlich, dass auch die Energiesicherheit ein Thema ist. „Der Krieg in der Ukraine zwingt uns dazu“, betont der Landrat.

Wie viele sollen es werden?

In Zukunft sollen auf dem Gebiet des Landkreises Böblingen etliche Windräder stehen. „Ich habe den Ehrgeiz, dass wir den zweistelligen Bereich erreichen“, sagt Bernhard. Der Chef des Landratsamtes gibt zu, dass das durchaus ein sportliches Ziel ist. Der aktualisierte Windatlas zeigt nach seiner Ansicht aber, dass es im Kreis durchaus ein gutes Potenzial für Anlagen gibt.

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Eine große Hürde steht diesen Absichten bisher entgegen: In vielen Bereichen hat die Regionalplanung solche Vorhaben bis dato verhindert. In ihr sieht Roland Bernhard das Hauptproblem. Schon im vergangenen November hat er sich schriftlich an das Umweltministerium gewandt. Sein Anliegen: Der Regionalplan muss dahingehend bearbeitet werden, dass Grünzüge kein Ausschließungsgrund für Windräder mehr sind. „Wir sind der Meinung, dass der Gesetzgeber eine solche Änderung beschleunigen soll“, sagt der Landrat. Die bisherige Rechtslage schrecke zudem Investoren ab. Aus dem Ministerium von Thekla Walker sei die mündliche Rückmeldung gekommen, man sei an diesem Thema dran. Auch beim ebenfalls zuständigen Ministerium für Landesentwicklung hat Bernhard seine Forderung zwischenzeitlich platziert.

In der Vergangenheit waren Pläne für Windkraftstandorte auch daran gescheitert, dass die Flugsicherung Einwände erhoben hat. Das war insbesondere auf dem Gelände der Vergärungsanlage bei Warmbronn der Fall. Mit dem Leonberger Standort hat Roland Bernhard aber bei Weitem noch nicht abgeschlossen. „Wir haben die Pläne wieder aus der Gefriertruhe geholt“, sagt er. Bernhard räumt zwar ein, dass die bisherigen Bemühungen dort nicht erfolgreich waren. Er möchte jedoch gerne einen neuen Anlauf wagen. „Wir sind in Gesprächen mit der Flugsicherung“, sagt er. Noch sei kein Durchbruch gelungen. Die Chancen schätzt der Landrat aber besser ein als noch vor einigen Jahren. Martin Georg Cohn, der Leonberger Oberbürgermeister, habe ebenfalls Interesse an Gesprächen zum Thema signalisiert.

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Naturschutzrechtliche Belange sind ein weiterer Grund, weshalb Windkraftvorhaben bisher im Kreis nicht umgesetzt wurden. So wurde ein Projekt auf der Gemarkung von Weil der Stadt an der Grenze zu Heimsheim vor drei Jahren aufgegeben, nachdem dort ein Rotmilan gesichtet worden war. In Hinblick auf den Artenschutz sieht der Landrat aber Anzeichen dafür, dass es Erleichterungen geben könnte.

Wo finden sich geeignete Flächen?

Dennoch: Über einzelne Standorte möchte Roland Bernhard momentan eigentlich noch nicht im Detail sprechen. Er gibt sich bedeckt, was konkrete Potenzialflächen angeht. Als einer der nächsten Schritte möchte der Landrat das Gespräch mit den Bürgermeistern der hiesigen Kommunen suchen, um zu erfahren, ob an geeigneten Standorten eine Akzeptanz für die Anlagen da ist. In Heimsheim war der Widerstand gegen die geplanten Windräder vor Jahren nicht unerheblich. Das hat Bernhard nicht vergessen. Er hofft jedoch, dass mittlerweile in der ganzen Region ein Umdenken stattgefunden hat und ein Ruck durch den Landkreis gehen wird. Es sei wichtig, die Menschen einzubinden. Zum Beispiel könne man über Genossenschaftsmodelle die Bürgerschaft finanziell beteiligen.

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Derzeit wird eine Fachtagung vorbereitet, die der Landrat initiiert hat. Dort soll über die Windkraftstrategie für den Landkreis gesprochen werden. Dafür ist noch kein Termin gefunden. Später soll eine Potenzialstudie in Auftrag gegeben werden, um die durch den Windatlas als aussichtsreich dargestellten Bereiche genauer zu betrachten. Auch dabei soll es jedoch noch nicht um konkrete Standorte gehen, betont Bernhard. Er rechnet nicht damit, dass die ersten Projekte deutlich vor dem Jahr 2030 realisiert werden können. „Es soll kein Schnellschuss werden. Wir gehen behutsam Schritt für Schritt vor.“

Energie aus Wind und Sonne

Darüber hinaus gerät die Sonnenenergie nicht aus dem Blick. Auf diesem Gebiet lassen sich nach Einschätzung von Bernhard sogar kurz- bis mittelfristig Projekte umsetzen. Damit nicht landwirtschaftliche Flächen geopfert werden müssen, könnte das Potenzial von Dächern ausgenutzt werden, schlägt der Kreischef vor. In Bezug auf die Fotovoltaiktechnik soll es ein separates Fachforum und eine spezielle Studie geben.